Steuerbürger bekommen ihre außergewöhnlichen Belastungen oder auch Sonderausgaben nicht von der Steuerschuld abgezogen, wenn sie nicht die Rechnung als Nachweis vorlegen können – und dazu den Nachweis, die Kosten selbst getragen zu haben. Jede Handwerkerrechnung ist nur absetzbar mit Rechnung und Zahlungsnachweis.
Da macht das bis zu zehnfache Erstattenlassen von nie gezahlten Steuern in großem Stil doch ein wenig sprachlos. Zig Milliarden Euro sind dem Staat durch krumme Geschäfte namens Cum-Ex durch die Lappen gegangen. Ebenso sprachlos macht die Reaktion der politisch Verantwortlichen. Die offensichtlichen, gigantischen Gesetzeslücken brauche man nicht zu stopfen. Klar, es sind Kriminelle. Aber die Regeln luden sie regelrecht anscheinend legalen krummen Dingern ein. Zur Erinnerung: Wir sprechen vom laut Die Zeit größten Steuerraub in der jüngsten Geschichte, wie die Zeit schrieb. Nichts deutet darauf hin, dass der Fiskus von dem mafiaähnlichen Steuerbetrugssystem überhaupt wissen wollte.
Gartenpflege ja, Kinderbetreuung allzuoft nein
Derweil ärgere ich mich mit Blick auf den größten Steuerraub meiner persönlichen Geschichte darüber, dass nicht nur Kriminelle es derart einfach haben, sondern auch der splittingbegünstigte Alleinverdiener in der Villa oder auch dem Eigenheim ein paar Ecken entfernt von hier an Rhein oder Taunusrand die Kosten für seinen rein privat benötigten Gärtner als Sonderausgaben geltend machen kann, während ich die für die Ausübung meines Berufs nötigen Kinderbetreuungskosten nur zu einem überraschend geringen Teil abziehen kann.
Kinderbetreuungskosten sind seit ein paar Jahren nicht mehr als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar, sondern nur noch – sofern man entsprechend Steuern zahlen würde als Sondersausgaben bis zu zwei Drittel der Kosten von maximal 4000 Euro jährlich.
Von Kindern und Hunden
Mir ist schleierhaft, warum die Anerkennung als Sonderausgaben damals durchaus lobend gefeiert wurde. Gerade die Eltern, die wahrscheinlich besonders dringend auf den Abzug der Kinderbetreuung angewiesen sind, weil sie arbeiten müssen, um mit zwei vielleicht vergleichsweise niedrigen Einkommen über die Runden zu kommen, werden nach Abzug aller anderen beruflichen Kosten und der Sozialabgaben in Höhe von immerhin ja auch knapp 20 Prozent – in vielen Fällen gar nicht erst genug verdienen, um überhaupt in den Genuss des eigentlich nur als Sonderausgabe möglichen Abzugs zu kommen – Sonderausgabe bedeutet: bei ausreichend hohen Einkünften zusätzlich und, weil privat, auch nur beschränkt. Sie werden in vielen Fällen gar nichts mehr von der Abzugsmöglichkeit haben, seit die Kosten nicht mehr als Werbungskosten oder Betriebsausgaben ansetzbar sind. Es profitiert nur, wer genug verdient.
Natürlich betrifft das überhaupt nur diejenigen, die nicht das Glück haben, beispielsweise im – binnenwirtschaftlich betrachtet – Nehmerland Rheinland-Pfalz zu wohnen, das die Kitabetreuung kostenlos anbietet, sondern stattdessen wie auch ich beispielsweise im Geberland Hessen wohnen. Für sie ist die Kinderbetreuung zu einem beträchtlichen Teil Privatvergnügen. Und natürlich fallen damit darauf zusätzlich mehr Steuern an als zuvor. Auch klar – der Restbetrag ist ja ganz regulär steuerpflichtig. Steuergerechtigkeit stelle ich mir anders vor. Immerhin soll die Summe bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge mindernd angerechnet werden – so wurde damals versprochen. Wenn der Sachbearbeiter oder spätere Betriebsprüfer es nicht vergisst. Aber: Das passiert. Muss jedenfalls kontrolliert werden.
Nichts gegen Fellnasen, aber: Warum ich die Kita- und Schulverpflegung nicht als außerhäusliche haushaltsnahe Dienstleistung geltend machen kann, während jeder Hunde- oder Katzenbesitzer die Verpflegung und Unterbringung seines Lieblings während des Urlaubs oder verlängerten Wochenendes als solche ansetzen kann, konnte mir noch niemand erklären. Der Bundesfinanzhof untersagte kürzlich einem alleinerziehenden Vater den Abzug. Allerdings wohl weil die Rechnung nicht ordnungsgemäß war, nicht weil die Kosten bereits vom Kindergeld abgedeckt würden – dieser Satz galt für mein Verständnis den Kosten für das Schulferienlager. Nicht der von ihm geltend gemachten haushaltsnahen Dienstleistung. Aber hilft ja nichts, mit dem Finanzamt über Formulierungen zu diskutieren.
Wie sollen Kinderfreibeträge die Kosten decken?
Abgesehen davon frage ich mich sowieso, wie und warum die ausdrücklich nur den minimalsten Sozialhilfesätzen ohne die für Hartz-IV-Empfänger ja beantragbaren Zusatzbedarfe angepassten Grundfreibeträge und Kinderfreibeträge dies überhaupt abdecken sollten? Mehr steht steuerfrei ja keinem Steuerpflichtigen zu und diese Kindern steuerlich zugestandenen Bedarfe sind laut Finanzgericht Niedersachsen ja noch selbst gemessen daran schon zu niedrig bemessen.
Wahrscheinlich tritt auch hier einfach wieder die Faustregel meiner früheren Steuerberaterin in Kraft: „Richter können richten, aber nicht rechnen.“ Die hoffentlich bald überholt ist. Erste Anzeichen hierfür sind ja erfreulicherweise durchaus zu erkennen.
Fazit: Ordnungsgemäße Rechnung besorgen, Kontoauszüge beilegen, Einspruch einlegen. Abwarten. Tee trinken. – Und mich dann doch ärgern und wundern über Cum-ex-Geschäfte, die ich wie viele andere von uns teuer mit dem von uns ehrlich und mühsam verdienten – und dringend benötigten – Geld mitfinanzieren.
Suche Alleinverdienerbegünstigung
Noch gar nicht drüber nachgedacht habe ich bis dahin darüber, weshalb in Deutschland im Jahr 2017 gezahlte Kirchensteuer die zu zahlende Einkommensteuer stärker mindert als Kinderbetreuungskosten dies tun.
Weiß das jemand? Versteht das jemand? Welches Gesetzesgrundlage ist hierfür verantwortlich? Artikel 6 GG – Schutz der Ehe und Familie – kann es ja nicht sein.
Fazit 2: Steuerdeutschland ist ein Paradies für Finanzverbrecher sowie dackelhaltende, kirchensteuerpflichtige Alleinverdiener-Ehepaare. Am besten noch mit weitläufigem Garten für ausreichend Platz weiteren Steuerabzugsmöglichkeiten.
Wichtiger Hinweis für Alleinerziehende
Alleinerziehende weise ich an dieser Stelle freundlich auf ein höchstrichterliches Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hin, das die verwitwete Steuerberaterin Reina Becker führt. Sie klagt auf Veranlagung nach dem Splittingtarif. Damit hoffentlich bald nach denselben Regeln wie die rasensprengenden und büschestutzenden Rentner und anderen Eheleute der Republik auch das Alleinverdienereinkommen derjenigen besteuert wird, die davon noch Kinder sattbekommen wollen. Einspruch einlegen, auf das Verfahren mit Aktenzeichen. 2 BvR 221/17 verweisen. Wer auf Nummer Sicher gehen will, kann zusätzlich noch Ruhen des Verfahrens beantragen. Muss dies aber im Normalfall nicht.
Es sollten möglichst viele Einsprüche einlegen. Damit es hiermit hoffentlich bald einmal vorbei ist, was das Grund- und Menschenrechtsblog der Humboldt-Universität zu Berlin bemängelt: dass Frauen und vor allem ihre Kinder Bürger zweiter Klasse sind. Und das hier und wo Armut die Demokratie gefährdet, wie gewisse Erfolge rechter Parteien zeigen, die viel mit dem dann aber nicht weiter Gefühl, ausgenommen zu werden, zu tun haben.
Fazit 3: Arbeit reicht in viel zu vielen Fällen nicht – die Zahlen der Aufstocker sprechen für sich –, um Armut zu entgehen.