kontraintuitiv

Einer meiner Lieblingsbegriffe lautet „kontraintuitiv“. Das ist, Sie ahnen es: wenn Dinge nicht so sind, wie wir intuitiv annehmen würden. Kommt ganz oft vor in der Sozialpsychologie, die Teil meines Studiums der Diplompädagogik vor Jahren mal war. Stammt, wenn ich es richtig sehe, ursprünglich aus dem Fachbereich Philosophie und ist auch in der Soziologie offenbar nicht ganz selten, zumindest laut Google.

Dinge, die nicht so sind, wie man so denkt, werden in allen Disziplinen vorkommen, in denen Menschen denken – oder besser: Annahmen treffen und dann vielleicht denken, forschen und wieder denken. Nehme ich an. Ganz häufig offenbar auch in der Biologie. Zumindest habe ich aus diesem Bereich in den vergangenen Wochen einige kontraintuitive Nachrichten gelesen.

Hätten Sie zum Beispiel gedacht, dass sich Wölfe kooperativer und toleranter verhalten, als Hunde? Steht im Wissenschaftsblog I fucking love science. Hunde dagegen setzen instinktiv mehr auf Befehl und Gehorsam – also klare und bedingungslose Hierarchien.

Und wer ist wohl gefährlicher? Raubkatze oder Hauskatze? Raubkatze stimmt sicherlich mit Blick auf uns Menschen. Für ihre Beutetiere jedoch sind Hauskatzen weit gefährlicher. Während nämlich Raubkatzen nur dann auf die Jagd gehen, wenn sie hungrig sind und sich ansonsten nicht die Mühe machen, jagen die Samtpfötchen jedes auch nur irgendwie beutetierartige Tier oder Etwas, das ihnen so unterkommt. Weil es ihnen Spaß macht, steht in der Augustausgabe der Zeitschrift GEOlino, die meine bald zehnjährige Tochter regelmäßig liest. Mäuse fallen da also nicht nur dem Hunger zum Opfer, sondern auch dem Spieltrieb. 

Vor einiger Zeit habe ich mir mit Blick auf diese Art überraschend anmutender Nachrichten mal Gedanken drüber gemacht, was wir daraus für unsere Entscheidungen lernen können. Steht im TRIALOG-Unternehmerblog.

 

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Kürbissuppe

neulich haben wir meinen Geburtstag nachgefeiert. Kleine Fete für groß und klein, mit Kuchen am Nachmittag und zum Abend hin Kürbissüppchen.

Ich stand mit einer Freundin am Herd. Wir haben fröhlich vor uns hin gewürzt. Sie: „Ich dachte, Halloween-Kürbisse kann man nicht essen.“ Tiefer Blick nach links in ein Paar leicht verunsicherte blaue Augen. Ich: „Weißt Du was? Ich hätte dich fast angerufen, um zu fragen, ob Du meinst, dass man Halloween-Kürbisse essen kann …“

Es war schon spät an diesem Nachmittag, bestimmt halb sechs. Alle Gäste waren schon da, sogar die späten. Das Süppchen war püriert. Nur ein paar Gewürze mussten noch rein. Es war keine Zeit mehr, Hokkaido-Kürbisse einzukaufen, geschweige denn zu kochen. Die essen wir sonst immer. Sie leuchten schön orange. Dieser hier war innen blassgelb. Und irgendwie weicher. Und trockener. Fast mehlig.

Ich: „Warum sollte man Halloween-Kürbisse nicht essen können? Man kann doch alle Kürbisse essen, oder?“ Kurzes Schweigen. „Außer natürlich Zierkürbisse. Aber deswegen heißen die ja auch so, außerdem sind sie ganz klein.“

Wir schnupperten kurz am Topf. Meine Freundin: „Den kann man essen!“ Ich: „Ja, er riecht doch auch ganz gut, oder? Nur die Schale muss weg, aber die habe ich vorher schon weggeschnitten.“

Meine Freundin: „Ja. Ich dachte ja auch nur, weil ich Halloween-Kürbisse bisher immer nur mit Fratze gesehen habe …“ Hatte ich ja auch …

Ich: „Aber man empfiehlt doch zur Halloween-Party auch, ein Kürbissüppchen zu kochen. Mit welchen Kürbissen sollte man die denn sonst kochen, wenn nicht mit Halloween-Kürbissen? Die muss man essen können! Oder?“ Sie: „Ja! Doch, bestimmt.“ Ein Freund, der an uns vorbeilief, meinte dann auch, klar könne man Halloween-Kürbisse essen. „Bestimmt.“ Aber er guckte schon kurz ein wenig unsicher.

Tja. Leichter Grusel gehört eben zu Halloween dazu.

Die Suppe hat dann auch allen geschmeckt. Äh … fast allen. Wie ich später gehört habe, hatte meine Freundin noch ein wenig mit dem Chili hantiert, als ich schon um die Ecke war. Das erfuhr ich aber erst abends, als ich meine Suppe probierte. „Oh“, sagte ich. „Du hättest das Gesicht Deiner Tochter sehen sollen“, meinte da die Frau eines sehr lieben Kollegen. Sie hat wohl ganz verdattert geguckt und dann gesagt: „‚Das schmeckt nicht!“ Danach ist sie gleich ins Kinderzimmer abgerauscht. Ähnlich ist es auch dem Freund meiner Tochter aus dem Kindergarten ergangen, dem ich Süppchen für zuhause eingepackt hatte. „Dann haben wir eben die Suppe gegessen“, meinte meine Mütterkollegin am nächsten Tag.

Ich fand die Suppe allerdings haargenau richtig.

Endlich wieder etwas deftiges – nicht immer nur so mildes Zeug … Und zumindest die anderen Erwachsenen fanden sie wohl auch ganz gut. Für die Kinder hatten wir auch noch Hackfleisch- und Spinattaschen da. Sie dürften satt geworden sein. Der Freund meiner Tochter hat zuhause noch ein Brot bekommen. Kuchen hatten sie, glaube ich, auch alle genug intus. Und sogar meinem kleinen Sohn hat sein Kürbispüree mit Kartoffeln sehr gut geschmeckt. Sein Essen würzen wir ja auch nie – er ist ein Baby.

Guten Appetit und viel Spaß beim Feiern und gruseln.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 31.10.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

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Himmel un ääd

neulich hatte ich nichts zu essen im Haus. Gut, nicht wirklich nichts. Ein bisschen was war da schon. Aber eben nicht das, was ich brauchte.

Aus so was sollen ja angeblich die besten Gerichte entstehen.

Das habe ich jedenfalls schon oft gehört und gelesen. Konnte es aber bislang leider nicht bestätigen. Doch diesmal hatte ich Glück: Ich habe das Himmel-un-ääd-Curry-Huhn erfunden. Und seither auch schon ein paarmal wiederholt – und verfeinert.

Wozu bin ich im Rheinland aufgewachsen? Und esse gern asiatisch?

Ganz einfach: Kartoffeln (Erdäpfel, also „Ääd“) schön kross anbraten, Hähnchenstreifen dazu, zum Schluss Apfelstückchen rein (Himmel, weil sie an Bäumen wachsen) und mit anbraten. Das ganze dann mit Curry oder Kurkuma und Salz würzen. Dazu Reis. Fertig. Gut, das echte Himmel un ääd ist Apfelmus mit Bratkartoffeln und Blutwurst.

Jedenfalls genau das richtige für kühle Herbsttage.

Und das Schöne: Es macht kaum Arbeit. Mein Mann mag es auch. Meine Tochter ist allerdings skeptisch: Für sie gehört Obst einfach nicht in die Pfanne. Sie steht schon bei Gemüse mehr auf die Rohvariante. Falls Sie kleine Kinder im Gemüsestreik haben, ist das übrigens ein heißer Tipp: Roh essen offenbar die meisten Kinder Paprika, Gurke oder Karotte gern. Lassen Sie sich die einfach beim Schneiden wegmopsen …

Vor einigen Jahren hat das SZ-Magazin mal Kinder aus aller Welt nach ihrem Lieblingsgericht gefragt. Ein Inuitkind mochte am liebsten Robbeneis oder so etwas. Ich konnte den Artikel leider nicht wiederfinden. Aber dafür hat das SZ-Magazin vor kurzem mal Prominente gefragt, was sie frühstücken. Auch spannend. Hätten Sie gedacht, dass Münchens Oberbürgermeister Christian Ude an Winter-Wochentagen um 7 Uhr eine chinesische Suppe und einen Kaffee zu sich nimmt und am Wochenende Brunch mit Spiegelei, Schinkentoast und Quark? Ich auch nicht.

Aber ich habe ja auch falsch geraten, wer wohl seinen Tag mit Weißwurst beginnt.

Ich hatte natürlich sofort an Reiner Calmund gedacht, den Ex-Manager von Bayer 04 Leverkusen. Doch schon die Liste der Teesorten, die er da aufzählt, hat mich überrascht: „Pfefferminz mit Zitrone, Fenchel, grüner Tee mit Grapefruit, Tee aus frischem Lemongras (Asien)“ stand da. Zum Kohlenhydrate-Frühstück gibt es bei Herrn Calmund Vollkornbrot, Rohmilchkäse 60 % Fett, Tomaten. Oder: Bircher-Müsli mit Mango oder Banane. Ein Eiweiß-Frühstück besteht dagegen bei ihm aus drei Rühreiern und drei Scheiben gekochtem Schinken ohne Brot sowie einem Schälchen Heidelbeeren.

Wer hätte das gedacht?

Die Weißwurst genehmigt sich übrigens Jimi Blue Ochsenknecht, der Sohn von Uwe Ochsenknecht, selbst auch Schauspieler und Sänger. Alternativ auch gern Pfannkuchen mit Nutella oder gebratene Eier mit Baked Beans und dazu Maracujasaftschorle.

Gut, der Mann ist noch jung. Da gibt es meist noch keine Sorgen über wachsende Bäuche. Vielleicht kennt er aber auch einfach nur die neuesten Erkenntnisse aus der Frühstücksforschung. Die wird nämlich immer widersprüchlicher. Eier statt Müsli – macht schlank. Nein, doch nicht: Müsli mit Banane ist doch besser. Aber Eier sind auch okay. Nur Marmelade ist ganz schlecht. Jeder Zucker. Wobei das wieder nicht gilt, wenn Sie danach körperliche Leistung bringen müssen. Nein, Sie brauchen keinen grünen Tee zu schlürfen. Kaffee ist längst rehabilitiert – jede Tasse mehr senkt für depressive Gemüter die Selbstmordgefahr. Zumindest gilt das bei bis zu sieben Tassen. Und – ja: Auch Kaffee zählt zu den 2 Litern, die wir alle trinken sollen, dazu. Obwohl – dass Sie die überhaupt trinken sollen, dazu gibt es ja auch schon Gegenmeinungen.

Verrückt. Glücklicherweise gibt es aber nun auch schon erste Ernährungswissenschaftler wie Volker Schusdziarra aus München, der das Meinungskarussell um die ultragesunde Frühstückskultur wohl gern bremsen würde und sagt, wir wüssten im Grunde noch so wenig, was ein gesundes Frühstück sei, dass wir einfach essen sollten, was uns schmeckt. Das ist doch was, oder? „Hauptsache, man vermeidet Übergewicht.“ Und dafür ist sowieso Bewegung das beste Rezept. Guten Appetit.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 25.10.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

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Lucy in the sky

eine Zeitlang hat meine Tochter Häuser so gemalt: als schmale, hohe, spitz zulaufende Keile. Anders als ich das in ihrem Alter gemacht habe. Meine waren glaube ich viereckig und hatten ein dreieckiges Dach. Ich fand das ein bisschen skurril, aber hübsch. Bis mir auffiel, dass die hohen Häuser hier in der Stadt von unten tatsächlich so aussehen: schmal zulaufend. Wenn Sie seitlich drauf gucken, sogar eindeutig spitz – und wie auf den Bildern meiner Tochter leicht zur Seite geneigt.

Meine Tochter hat nur gemalt, was sie sieht.

Phantasie steckt dann mehr in den Details: dem hübschen rosa Anstrich, dem Schornstein, der qualmend zur Seite absteht. Und dem stets schön goldgelb erleuchteten Fenster. Auf einem meiner Lieblingsbilder scheint links eine freundliche gelbe Sonne, rechts schwebt ein blaues Wölkchen und überall regnet es rote Bindfäden auf rote Blumen und ein rosa Haus. Das hängt hier bei mir über dem Computer. Toll!

Wissen Sie, wie der Titel zum Beatles-Song „Lucy in the sky with diamonds“ entstanden ist? Kein LSD, sondern ein Bild, das John Lennons und Yoko Onos Sohn Julian aus dem Kindergarten mitgebracht hat. Darauf saß seine Sandkastenfreundin Lucy O’Donnell mit ihren Kaleidoskopaugen inmitten von Sternen und Diamanten. Bestimmt auch toll! John Lennon wäre übrigens vor ein paar Tagen 70 Jahre alt geworden. Wer an dem Tag, dem 7. Oktober, irgendetwas gegoogelt hat, kam kaum drum herum, das zu lesen. Ich habe natürlich auch mal auf das John-mäßig veränderte Google-Logo geklickt. Da kam eine psychedelische Zeichentricksequenz: Pusteblumen werden zu wilden Mustern werden zu Blättern und ergießen sich dann in wilden Strichen zu einem Schmetterling. Viele Schmetterlinge, ein Kreis von Schmetterlingen, der zu einem Windrad wird.

„Es ist Johns Jahr“, meint seine Witwe. Nicht nur wäre er 70 geworden, sondern er wurde auch vor 30 Jahren ermordet. Vor 50 Jahren kamen die Beatles nach St. Pauli – ein Jahrzehnt Beatles-Mania vor sich. Und an deren Ende, die erste Solo-Platte Lennons „Plastic Ono Band“, kam vor 40 Jahren heraus.

Lauter Jubiläen.

Und eine Premiere, die die Zeitung „Die Welt“ da beschreibt. Der Autor war eigentlich zu einer Ausstellung Yoko Onos gereist. „Eine Skulptur, zu der sie Interviews gewährte, und so saß man vor ihr im Hotelsessel und hatte Angst davor, sich nach John Lennon zu erkundigen. Es musste aber sein“, schrieb er. Und – oh Wunder: Yoko lächelte mild. „Yoko Ono möchte einfach ihren Frieden schließen mit dem Geist John Lennons“, vermutet der Kollege.

Die vielleicht meistgehasste Witwe der Welt – endlich feiert sie mit.

Vor drei Jahren schon eröffnete sie auf der isländischen Insel Videy in der Nähe der Hauptstadt Reykjavik den „Imagine Peace Tower“. Diese Lichtskulptur erstrahlt seither dreimal im Jahr: in der ersten Frühlingswoche, am 9. Oktober, am 8. Dezember – falls Sie hinfahren wollen, das ist Lennons Todestag – sowie an Neujahr.

Lohnen würde sich ein Besuch ganz bestimmt, dafür sprechen die Fotos bei flickr.com. Geben Sie dort mal „IMAGINE PEACE TOWER“ ein. Er steht da wie ein gigantisches Schwert aus purem Licht vor dem dunklen Nordhimmel. Toll. Der Strom speist sich übrigens – ganz der Nachhaltigkeit verpflichtet – aus Erdwärme. Das wäre bestimmt in John Lennons Sinne gewesen.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 18.10.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

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Erziehung

neulich bei uns im Wohnzimmer. Nach dem Kinder-ins-Bett-bringen. Aus dem Zimmer meiner Tochter gleich nebenan dringen Geräusche. Klingt nach Umzugshelfern, die irgendetwas Hölzernes über den Boden schleifen. Mehrmals. Da dachte ich: Probiere ich es doch mal anders.

„Schätzchen, Du musst wenigstens so tun, als würdest Du im Bett liegen und einschlafen.“

Einen Moment Stille. Und dann die Stimme meiner Tochter: „Ihr seid aber frech…“ Immerhin war das Umzugsunternehmen danach still. Und nach Wasser, Klo, Halstablette, Schmusehund, einer dünneren Decke oder was wir da gucken hat meine Tochter an dem Abend auch nicht mehr gefragt. Vielleicht ja gar kein schlechter Trick. Geplant hatte ich es ja nicht – aber wahrscheinlich hat da vor allem funktioniert, dass ich ein wenig aus der Rolle gefallen bin.

Klar, wer hat schon Lust, jeden Abend die gleichen Elternsprüche zu bringen?

Ich habe das Verfahren noch nicht härtegetestet, daher weiß ich nicht, ob ich es uneingeschränkt empfehlen kann – für den Fall, dass Sie auch kleine Kinder haben. Aber der ein oder andere Überraschungseffekt hier und da hat bei Kindern wohl noch nie geschadet. Schon Kleinstkinder haben ja so ihre Masche, das sehe ich an meinem wenige Monate alten Sohn. Wenn er mal ein meckert oder greint, probiere ich gelegentlich einen neuen Brumm-Hupton auf ihm aus oder zaubere irgendeinen unbekannten Gegenstand hervor. Gelegentlich stellt sich dann heraus, dass er gar nicht so furchtbar leidet, wie es scheint – urplötzlich strahlt er wieder.

Selbst bei den größten Eltern-Kind-Klassikern können also immer beide auch anders…

Überhaupt hat ja vieles damit zu tun, wen man gerade vor sich hat und was man von ihm erwartet. Vor einiger Zeit habe ich mal von einer Studie gelesen – von wem, weiß ich leider nicht mehr – in der sie Leute an einer Fußgängerampel beobachtet haben. Die Forscher wollten wissen, wer wann brav stehen bleibt und wann nicht. Klar, Erwachsene bleiben in aller Regel stehen, wenn sie ein Kind sehen. Oder einen Polizisten natürlich.

Aber hätten Sie gedacht, dass auch die Kinder brav stehen bleiben, wenn Erwachsene zusehen und genauso ungeniert bei Rot gehen wie die Großen, wenn sie allein oder unter sich sind? Ja. Das hätte ich allerdings auch nicht gedacht – ist aber wohl so. Ist das nicht der vielleicht beste Beweis, dass Kinder ihre Eltern kräftig miterziehen?

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 12.10.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

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Visionen

vielleicht habe ich mal mein Faible für alte Horoskope erwähnt? Besonders die Jahreshoroskope vom Vorjahr schaue ich mir gern an.

Und ich habe noch ein Faible: für ältere Zukunftsvisionen. Wie die, die die Süddeutsche Zeitung da kürzlich ausgegraben hat. Die Briefe würden im Jahr 2010 per Rakete ins Haus kommen, glaubten Zukunftsforscher des Stanford Research Institute. Ungefähr so wie die E-Mail – nur physisch. Briefe würden dann nur wenige Stunden von Haus zu Haus brauchen. Das Institut der renommierten Universität gehörte zwar 1969 zu den ersten vier Knotenpunkten des Internet, aber die E-Mail vorauszusagen, war ihnen dort vor 40 Jahren offenbar zu gewagt, spekuliert die SZ. Unglaublich, wenn Sie bedenken, dass das erste Mailprogramm schon ein Jahr später erfunden wurde…

Mehr traute da schon Michio Kaku dem Internet zu, einer der Top-Physiker der Vereinigten Staaten. Er dachte sich seine Chef-Brille aber erst 1999 aus. „Ihre Brille wird irgendwann vollkommen ans Internet angeschlossen sein“, prophezeite er, „da können Sie irgendwann am Strand liegen und plötzlich meldet sich Ihr Chef über Ihre Sonnenbrille.“ Mal abgesehen davon, dass ich meine eigene Chefin bin: Wäre das wirklich Fortschritt? Aber egal. Allerdings ist das Verfallsdatum dieser Prognose noch nicht abgelaufen: bis 2020.

Vielleicht treffen sich ja mal Herr Fielmann und Herr Skype bei Herrn Xing…

Und vielleicht holen Sie sich dann noch eine künstlich erzeugte Person dazu, um für Auflockerung zu sorgen. Ähnlich wie virtuelle Räume in 3-D würden wir 2010 auch künstlich erzeugte Personen haben, glaubte der amerikanische Futurologe Ray Kurzweil 2002. „2010 wird man die noch nicht mit wirklichen Menschen verwechseln, aber sie dürften ganz unterhaltsam sein“, erklärte er damals der „Zeit“.

Dann wäre ja auch geklärt, mit wem wir bei der immensen Arbeitsflut unsere Spazierfahrt im Auto machen würden. Das würden wir natürlich nicht mehr selbst lenken, bräuchten aber auch keinen Chauffeur mehr, glaubten Sowjetforscher Ende der 50er. Vielmehr würden wir zu Beginn dieses Jahrhunderts nur noch auf dem Beifahrersitz unseres Autos sitzen und diesem zurufen, wohin wir wollen. Mit 250 Sachen könnten wir dann locker lässig die Landschaft mit unserer nur briefmarkengroßen Videokamera einfangen. Solche Geräte sagten Anfang der 90er Jahre Futurologen voraus. Es gibt sie auch tatsächlich. Dass wir allerdings außerdem mit unseren Telefonen fotografieren, auf die Idee kamen die Experten damals nicht.

Eine Erfindung hätte ich übrigens schon gern: den faltbaren Monitor. Eine solch wunderbare Erfindung sagten die 1998 vom Bundesforschungsministerium für die „Delphi-Studie“ befragten 2000 Experten für die Zukunft voraus. Oh ja, bitte! Wenn möglich auf irgendeinem ganz dünnen, aber völlig unkaputtbaren Material. Das sollte sich doch machen lassen. Faltbare Tastaturen gibt es ja auch schon – sogar fürs Klavier. Ich würde auch vorbestellen. Und mich solange eben noch mit meinem Netbook begnügen. Das ist zwar schon einiges praktischer als Handys mit Mäusetastatur. Aber leider zu schwer für die Handtasche…

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 7.10.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

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Mimikry

was ist klein, schwarz-gelb gestreift und sorgt mit einer Art Duft-Travestie für ihr Überleben?

Nein, diesmal sind es keine Bienen.

Sondern die Langsamstarter unter den Wespen. Bei den Wespen ist es nämlich so, dass die Weibchen schon im Puppenstadium ihre Lockstoffe ausdünsten, mit denen sie die Männchen anlocken. Die hocken deswegen schon vor dem Getreidekorn, aus dem das Weibchen später schlüpfen soll, wenn das Weibchen noch gut verpuppt ist. Und warten. Wer zuerst mahlt, mahlt zuerst.

Dumm nur für all die Männchen, die zu der Zeit selbst noch verpuppt sind.

Aber die haben einen Trick. Jetzt können Sie es sich bestimmt schon denken: Um ihre Nebenbuhler zu verwirren, dünsten auch sie als Puppe weibliche Lockstoffe aus. Die Duftstoffe verfliegen allerdings schneller, als bei echten Weibchen – damit die Belästigungen durch männliche Artgenossen dann aufhören.

Ihren Nachteil machen Spätstarter so zum Teil wett. Sie starten zumindest deutlich besser ins Leben als Frühstarter, die sich von ihnen haben irreführen lassen. Das stand neulich bei Handelsblatt Online – in der Rubrik „Schneller schlau“.

Tolle Strategie, finden Sie nicht auch?

Wenn ich so etwas lese, muss ich immer daran denken, was der Schriftsteller Frank Schätzing in seinem bislang einzigen Sachbuch über die Evolution und das Leben im Meer – ein Folgeprodukt des Meereskrimis „Der Schwarm“ – nennt: die „Göttin mit der Handtasche“. Eben immer mit irgendeiner Lösung parat: in dem Fall einem Hauch Parfum.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 05.10.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

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Bienen retten

was ist klein, schwarz-gelb gestreift und soll die Welt retten?

Ein kleines Völkchen britischer Superbienen. Die könnten womöglich dem rätselhaften Bienensterben ein Ende bereiten, das seit einiger Zeit grassiert. „Collony Collapse Disorder“ – „Völkerzusammenbruch“ – nennen Wissenschaftler diese merkwürdige Krankheit. Auslöser für die Krankheit soll die Varroa-Milbe sein. In den USA ist nach Angaben des Agricultural Research Service vom US-Gesundheitsministerium allein im vergangenen Winter jedes dritte Bienenvolk eingegangen oder verschwunden. Hierzulande steht es nicht ganz so schlimm um die Bienen, wie in den USA. Aber immerhin stirbt auch hier mindestens jedes sechste Bienenvolk: 15 bis 30 Prozent. Das ist schon konstant mehr als der natürliche Schwund wäre, berichtet Professor Jürgen Tautz von der Universität Würzburg, einer der führenden deutschen Bienenforscher.

Das Problem: Ohne Bienen würde ein Großteil der Pflanzen sich nicht vermehren – damit wäre rund ein Drittel unserer Lebensmittel weg. Deswegen züchten Imker Bienenvölker nach. Würden sie das nicht tun, gäbe es wohl hierzulande keine Bienen mehr, fürchtet der Bienenforscher. Das löst das Problem aber nicht grundlegend, sondern federt nur den Schwund ab.

Die Entdeckung des britischen Imkers Ron Hoskins könnte nun womöglich den Durchbruch bringen. Unter dem Vergrößerungsglas entdeckte er ganz viele mehr als haarfeine Fühler in seinen Bienenstöcken. Sie stammten von verstorbenen Larven. Und ausgerechnet der Stamm Bienen, den die todbringenden Parasiten bislang verschont hatten, trugen die Fühler und wohl auch befallene Larven einfach aus dem Stock. Das ist offenbar ungewöhnlich. Sonst lassen Bienen ihren Abfall einfach liegen. Dazu kam, dass die Bienen dieses einen Volkes sich auch gegenseitig nach Milben absuchten – so wie Affen, die sich lausen.

Hygiene zahlt sich offensichtlich auch für Bienen aus.

Längst gilt das reinliche Putzverhalten denn auch als der Grund, dass asiatische Bienen weniger anfällig für die Bienenseuche sind, als alle anderen Bienen weltweit. Davon, dass seine kleinen Brummer Superbienen sind, will Imker Hoskins denn auch nichts wissen. Die Schlagzeile der Londoner Zeitung Guardian „Could a superbee from Swindon save the world?“ – „Könnte eine Superbiene aus Swindon die Welt retten?“ war dem Bienenzüchter peinlich. Bevor er seine Superbienen in großem Stil verkauft, will er prüfen, ob das Verhalten überhaupt erblich ist.

Wenn, dann wäre das allerdings genial. Und Mr. Hoskins hätte wahrscheinlich ausgesorgt. Denn so ließe sich das Problem langfristig ohne Gifte lösen. Und der Imker wäre damit auch schneller als die Forscher aus den USA und Europa, die derzeit ebenfalls versuchen, Putzer-Bienen heranzuzüchten – allerdings mühseliger: Indem sie viele Völker mit Varroa-Milben infizieren – in der Hoffnung, dass der ein oder andere Stamm sich als widerstandsfähiger erweist, um ihn dann nachzuzüchten.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 04.10.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

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Echtzeitwelt

wissen Sie, wie von vorgestern das ist, was Sie und ich hier gerade tun? Ich sitze am Computer und schreibe etwas auf. Und Sie sitzen da und lesen es vom PC-Monitor ab.

Damit meine ich jetzt nicht, dass ich meinem Computer auch etwas diktieren könnte. Oder dass Sie genauso gut ins Handy- oder iPad-Display gucken könnten. Sondern dass Journalisten heute längst direkt für Computer schreiben, statt für Menschen. Zumindest bei der Wirtschafts- und Finanznachrichtenagentur Reuters. Das stand in einem Artikel, den ich vor einiger Zeit mal gelesen habe – im Wirtschaftsmagazin brand eins, Ausgabe 3/2008. (Der Artikel „In der Echtzeitwelt“ fiel mir wieder ein, als ich Ihnen vor ein paar Tagen aufgeschrieben habe, was Reuters zum neuen Roman von John Le Carré meint. Hier entlang)

Der Artikel handelte davon, was Reuters noch so herstellt. Nicht mehr nur normale Wirtschaftsnachrichten, sondern Hochgeschwindigkeitsinfos, die praktisch in dem Moment, in dem sie geschehen, schon als Leuchtschrift an einem Hochhaus entlangflimmern. Und die binnen Millisekunden Börsenkurse beeinflussen.

Weil keine Menschen zwischengeschaltet sind. Sondern Computer.

Reuters schult Journalisten darin, Nachrichten so zu verfassen, dass Handelscomputer selbsttätig Verkaufs- oder Kaufaktionen aus der enthaltenen Info machen können. Auch wieder logisch, wenn Sie sich mal vor Augen führen, dass bei marktrelevanten Infos schon immer der Zeitvorsprung mit für Gewinnvorsprung gesorgt hat. Erst reichten wenige Tage Wissensvorsprung, dann Stunden oder Minuten. Mittlerweile geht es um Sekunden und Millisekunden.

Mal abgesehen davon, dass das zu Phänomenen wie dem Flash Crash vor ein paar Monaten führt – dem unerklärlichen Blitzeinbruch der Aktienkurse an der New Yorker Börse im März –, betreten wir hier das Reich des Phantastischen.

Räume ohne Zeit. Sowas gibt es.

Davon habe ich vor nun gut zehn Jahren mal auf einer Ausstellung des Kölner Stadtmuseums erfahren („Wie Zeit vergeht“), über die ich damals für den Lokalteil der Kölnischen Rundschau berichten sollte. In dem Buch zur Ausstellung stand ein Bericht über den Kölner Physikprofessor Günther Nimtz, der einen Raum ohne Zeit in einer kleinen Glasröhre hergestellt hatte („eines der aufsehenerregendsten Experimente der physikalischen Grundlagenforschung“). Das Tunnelexperiment funktionierte so: Nimtz und sein Team schickten Signale in mehrfacher Lichtgeschwindigkeit in ein verengtes Glasröhrchen. Die Signale brauchten immer: null Zeit – egal wie lang das Tunnelröhrchen war. Und nicht nur das: Signale von Radiowellen der 40. Sinfonie von Wolfgang Amadeus Mozart in g-Moll kamen sogar an, bevor sie überhaupt losgeschickt worden waren. Verrückt.

Wer weiß, vielleicht nutzen sie die Technik ja längst – ist ja schon ein paar Jahre her. Falls nicht, könnte Reuters sich ja mal an Professor Nimtz an der Kölner Uni wenden. Vielleicht empfangen die Handelscomputer Nachrichten dann ja schon bald, bevor der Redakteur – puh: selbst in der Echtzeitwelt scheint der nicht so leicht ersetzbar – sie veröffentlicht hat.

Das wär doch was, finden Sie nicht auch?

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 30.09.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

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Café Tortoni

kennen Sie das auch: dass Sie in die Küche gehen oder ins Wohnzimmer und … – plötzlich wissen Sie nicht mehr wissen, was Sie da eigentlich wollten?

„Wer es nicht im Kopf hat, braucht es in den Beinen“, denke ich dann.

Die argentinischen Kellner zumindest des legendären Café Tortoni haben es im Kopf: Sie vergessen nie etwas und bringen den Gästen immer das richtige. Das fanden ein paar Wissenschaftler bemerkenswert und machten eine Studie darüber, wie sie das hinbekommen. Übrigens die erste argentinische Studie seit 11 Jahren, berichtete neulich der Kriminalbiologe und Wissenschaftsautor Mark Benecke bei Radio Eins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb).

Und es ist leider wie so vieles: Leichter gesagt als getan.

Also das im Kopf behalten. Erst einmal beobachteten die Wissenschaftler, wie es im Tortoni läuft: Die Kellner lassen sich die Bestellung sagen und gehen ohne ein Wort in die Küche. Dort sagen sie, was sie brauchen und gehen wieder in den Gastraum, um weitere Bestellungen aufzunehmen. Irgendwann kommen sie mit dem Bestellten wieder und liefern es – ohne fragen zu müssen „Ist das für Sie?“ korrekt bei den Gästen ab.

Die argentinischen Wissenschaftler haben natürlich erst einmal getestet, ob die Kellner wirklich keine Fehler machen. Fazit: Machen sie nicht. Dann haben sie sich nach der Bestellung auf einen anderen Platz des Tischs gesetzt. Da kamen die Kellner dann schon durcheinander und mussten nachfragen, für wen denn was ist.

Fazit der Studie: Die Gutmerker im argentinischen Café Tortoni merken sich, welches Gericht und Getränk zu welchem Sitzplatz hin soll. Dann merken sie sich die Gesichter dazu verknüpfen es mit der Bestellung und dem Sitzplatz.

Klingt kompliziert, ist aber hoch effektiv – und entspricht im übrigen auch der Technik von professionellen Gedächtnisgenies, also von Leuten, die sich tausende Nachkommastellen nach Pi merken können: „Die Information zerstückeln, etwas emotionales ankleben und dann räumlich verknüpfen“, erläutert Mark Benecke.

Warum unsere Kellner hier das nicht können? Auch darauf gab die argentinische Studie einen Hinweis: Es muss am Berufsethos und an der Ausbildung liegen. Denn die Kellner im Tortoni fanden ihre Leistung nicht weiter bemerkenswert. Schließlich hatten sie sie alle mühsam eingeübt – sie gehört dort zum Berufsbild und wird entsprechend trainiert.

Hätte man eigentlich gleich drauf kommen können, oder?

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 21.09.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

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