Was war nochmal die sogenannte Mitte?

Ungeachtet davon, welche Partei was fordert, ist es immer gut, aus manchem Begriff mal die Luft heraus zu lassen. Facharbeitergehalt etwa oder auch die viel beschworene Mitte.

Den Mittelstandsbauch sollte die Koalition besser von unten abschmelzen.
“ It’s the structure, stupid“ möchte man den Verantwortlichen und ihren Wählern gern zurufen. Die Struktur der Belastungen ist das Problem. Eigentlich bekannt: „In den letzten Jahrzehnten wurden die Reichen entlastet – und die Geringverdiener belastet. Denn die „direkten“ Steuern, die progressiv auf das Einkommen und Vermögen erhoben werden, sanken. Gleichzeitig stiegen die „indirekten“ Steuern, die auf den Verbrauch entfallen und von allen gezahlt werden. Vor allem die Mehrwertsteuer kletterte von einst 10 auf inzwischen 19 Prozent.

Das irritierende Ergebnis: Allein die Steuerreformen seit dem Jahr 2000 führten dazu, dass das ärmste Zehntel der Bevölkerung jetzt 5,4 Prozentpunkte mehr Steuern auf sein Bruttoeinkommen zahlt – während umgekehrt das reichste Tausendstel 4 Prozentpunkte sparen konnte.” Und ja: Ich fürchte auch, Besserung ist da kaum zu erwarten.

Noch irritierender als das finde ich aber eigentlich, dass die Sozialbeiträge bei der ganzen Debatte tatsächlich konsequent ignoriert werden. Wie Angestellte zahle auch ich als hauptberuflich selbstständige und damit in der Künstlersozialkasse gesetzlich pflichtversicherte Journalistin an die Künstlersozialkasse meine rund 20 Prozent vom Bruttoeinkommen – es ist eine Pflichtversicherung, bei der ein großer Teil der rechnerischen Arbeitgeberlast durch eine Abgabe der Unternehmen auf die Honorare sowie ein kleiner Teil aus Steuermitteln finanziert wird.

Die Sozialversicherungsbeiträge jedenfalls sind bei der echten Mitte, den vielen Gering- bis Mittelverdienern – auch den in Sonntagsreden nun viel und gern beschworenen Facharbeitern – der größte Posten. Hierfür gelten keinerlei Freibeträge, sie fallen ab dem ersten Cent an. Und sie steigen auch nicht progressiv, sondern ab einem bestimmten Einkommen gar nicht mehr. Womit ausgerechnet Gut- und Spitzenverdienern ein Rabatt eingeräumt wird. Nicht vergessen sollte man auch, dass immer mehr Selbstständige bereits jetzt gezwungenermaßen die vollen 40 Prozent einzahlen. Nicht wie alle anderen auf das tatsächliche Einkommen sondern gleich ab der Geringfügigkeitsgrenze auf fiktive mehr als 2000 Euro Brutto im Jahr. Wie zuvor zwar auch einkommensabghängig, aber rückwirkend berechnet. Diese rückwirkende Erhebung ist neu. Und sie wird wohl noch ein paar ganz neue und für die meisten wohl auch ungeahnte Probleme mit sich bringen. Eine einkommensabhängige Belastung auch für Gründer, Teilzeitselbstständige oder andere Geringverdiener unter den Selbstständigen – wie bei Angestellten – lehnte die Koalition erst kürzlich ab.

System

Kein Frühstück, keine ausreichende Winterkleidung, kein Internet, kein Kino, kein Geld für Geburtstagsgeschenke. Verzicht gehört für arme Kinder zum Alltag, hat eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergeben. Und nicht nur zum Kinderalltag, dank weniger guter Ausbildung und somit weniger Chancen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit auch zum Erwachsenenalltag, später mal.

Das ist schrecklich. Und noch schrecklicher: Es hat System. Einer von vielen, die das seit Jahren schon sagt, ist Jürgen Borchert vom Landessozialgericht Darmstadt: Deutschland ist kinderfeindlich. Nicht die Menschen – das System. Oder besser die Systeme: Sozialsystem, Steuerpolitik.

Kindergeld: Die 168 Euro monatliches Geschenk vom Staat werden Hartz-IV-Beziehern abgezogen. Für Steuerzahler dagegen gilt: Wer gut verdient, bekommt mehr: ab einem bestimmten Einkommen – das deutlich höher als das deutsche Durchschnittseinkommen liegt, etwa die Hälfte drüber, die Grenzsätze schwanken immer mal – sparen Steuerzahler durch den Kinderfreibetrag mehr Steuern, als sie in Form von Kindergeld bekommen. Die Finanzämter prüfen das automatisch und rechnen es dann an.

Mehrwertsteuer: Dass die 19 bzw. 7 Prozent Mehrwertsteuer vor allem die Familien stark belastet, haben schon viele Experten vorgerechnet. Bei wem am Ende des Monats nichts oder wenig übrig bleibt, der hat von seinem Gehalt dann also nicht nur 20 Prozent Sozialbeiträge etwa sowie den persönlich – steigenden Steuersatz gezahlt -, sondern von seinem dann übrigbleibenden Netto also noch 7 % Steuern auf Lebensmittel und Versicherungsbeiträge und 19 Prozent auf so ziemlich alles andere – inklusive Spielzeug und Windeln. Miete und Porto dürften die einzigen steuerfrei bleibenden Haushaltsposten sein.

Sozialabgaben generell: Auch die derzeit knapp rund 20 Prozent Sozialabgaben fallen ab dem ersten Euro Lohn oder Gehalt an (außer bei Minijobs). Progression – dass stärkere Schultern in diesem ja eigentlich als Solidarsystem gedachten System mehr schultern müssen) gibt es hier nicht. Im Gegenteil: Befreit werden Gutverdiener – die dürfen sich verabschieden und freiwillig in den Pauschaltarif für freiwillig Versicherte oder sich privat absichern. Statt dass wie im Steuertarif dafür gesorgt wird, dass stärkere Schultern mehr tragen – und die Beiträge für alle sinken können. Ja: Es gibt die kostenlose Familienmitversicherung – das kommt Familien zugute. Und die gibt es sogar für (meist sind es ja die Frauen) Ehefrauen mit, wenn die praktisch nicht verdienen. Nur: Viele Familien brauchen ihre zwei Einkünfte. Und haben so auch oft nichts vom Ehegattensplitting. Der abgesehen davon auch nichts daran ändert, dass pro erwachsener Person und Monat 706 Euro vom Einkommen steuerfrei bleiben. Kinder zählen bei dem nicht. Alleinerziehende sind steuerlich Singles – sie haben nur einen Freibetrag und zahlen dadurch vergleichsweise mehr Steuern. Europaweit knöpft nur Belgien Singles mehr Geld ab, ergibt eine OECD-Studie nach der anderen schon seit Jahren. Der Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag liegt bei 109 Euro mehr Einkommen steuerfrei – für die, die Steuern zahlen.

Ungerechtigkeiten hat die UNO vor Jahren bereits bemängelt. Die Bundesregierung bezeichnete das als ungerecht und unwissenschaftlich. “Heul doch”, möchte man ihnen zurufen. Oder besser: “Setz mal die höchstrichterlichen Urteile in Sachen Familienfreundlichkeit um. Endlich.”

D

Es klang so gut: Die Einkommensgrenze beim Kindergeld für erwachsene Kinder in der Ausbildung fällt weg. Eine Wohltat des Staates. Sicher nicht für alle.

Erst die gute Nachricht: Von diesem Jahr an spielt es für den Anspruch auf Kindergeld oder den Kinderfreibetrag keine Rolle mehr, wie viel Geld ein Kind verdient – solange es noch in der Ausbildung ist und höchstens 24 Jahre alt.

Nun die schlechte Nachricht: Das gilt nur während der Erstausbildung. Bei jeder weiteren Ausbildung sieht die Sache schon anders aus.

Immerhin: „Die neue Regelung ist tatsächlich eine große Erleichterung“, erklärt Markus Deutsch vom Deutschen Steuerberaterverband dem Handelsblatt. Schließlich durften erwachsene Kinder bis Ende 2012 während der Ausbildung maximal 8.004 Euro verdienen – inklusive Ausbildungsvergütung. War es nur ein Euro mehr, fiel das Kindergeld gleich ganz weg. Die alte Regelung führte nicht nur zu zahlreichen Rechtstreitigkeiten, sondern auch zu verzweifelten – und sicher teils sinnlosen – Anschaffungen zum Jahresende, mit der die Kinder noch rasch versuchten, ihre Einkünfte zu drücken.

Diese Fallbeilgrenze ist nun weg. Allerdings eben nicht für Kinder in der zweiten Ausbildung, also die erst eine Lehre abschließen und anschließend studieren oder nach dem Bachelor- noch den Master-Abschluss draufsatteln. Auch wer im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) zum Rettungsassistenten ausgebildet wird und anschließend erst eine reguläre Ausbildung oder ein Studium beginnt, hat ein Problem.

Vielleicht findet die Regierung ja, es gibt zuviele Freiwillige? Wer weiß?

Für Kinder in der zweiten Ausbildung gilt jedenfalls: Kindergeld gibt es nur, wenn sie während der zweiten Ausbildung oder dem Zweitstudium maximal 20 Stunden pro Woche arbeiten – egal ob selbständig oder nicht selbständig.

Natürlich gibt es auch zu dieser Gesetzesänderung ein paar Ausnahmeregelungen. Wenn Sie es genauer wissen wollen, schauen Sie mal ins Handelsblatt.

Die Kleingärten der Regierung

Erinnern Sie sich noch? Als die Krise so richtig in Gang kam, gab es einige – nicht mal dumme oder übertrieben pessimistische – Leute, die befürchteten, wir würden bald alle in unseren Gärten sitzen und Kartoffeln essen.

Wohl dem, der früh genug welche gesät hatte, meinten sie…

Ob es wohl damit zu tun hat, dass die Bundesregierung sich gerade neben der Bankenrettung um das Wohl der Kleingärtner sorgt? Man weiß es nicht so genau. Was man weiß, ist, wie viel der Spaß kostet. Das rechnet der Bund der Steuerzahler in seinem Schwarzbuch 2011 vor: 100.000 Euro.

Vielleicht sollte ich im Nebenjob Studien im Auftrag der Bundesregierung anfertigen?

„Für 100.000 Euro vom Steuerzahler konnte man der Studie dann atemberaubende Erkenntnisse und Empfehlungen entnehmen, z. B. dass der demographische Wandel teilweise zu wachsendem Leerstand führe, was weitreichende Umnutzungskonzepte erfordere. Und dass die ökologischen Potenziale der Kleingärten sowie die Flexibilität der Vereine und Verbände zu stärken seien – bei Sicherstellung sozialverträglicher Kosten der Kleingärtnerei und unter Berücksichtigung neuer Zielgruppen. Ah ja“, ätzt der Bund der Steuerzahler. Und die letzte – wahrscheinlich nicht wesentlich billigere – Studie zum Thema war erst 2008 heraus gekommen.

Muss ja schnelllebig sein, das Geschäft mit Kleingärten.

In Auftrag gegeben hatte die Vorgängerstudie übrigens das Bundesbauministerium. Das kümmert sich dieses Jahr um Leerstände und Handlungsempfehlungen dafür. Der Auftrag geht nach Auskunft des Steuerzahlerbundes an das Institut, das bereits die 2008er Studie verfasst hat. Kostet dafür aber immerhin diesmal nur 55.300 Euro – und damit rund knapp die Hälfte kosten. Der Steuerzahlerbund ist da unbarmherzig: „Das ist überflüssiger Studien-Aktionismus. Um die Kleingärten und das überschaubare Problem von Leerständen kümmern sich genügend Akteure vor Ort nicht nur in den bestehenden Vereins- und Verbandsstrukturen, sondern auch staatlicherseits“, informiert der Steuerzahlerbund. Von den Landesministerien über den Deutschen Städtetag bis hin zur bundesweiten „Gartenamtsleiterkonferenz Arbeitskreis Kleingartenwesen“, zählt der Verband auf.

Gartenzwerge. Ich vermisse eine Studie zu Gartenzwergen vor leerstehenden Mietobjekten.

Mal im Ernst – wenn Steuergeld verpulvert wird, ist das schlimm genug. Und hier geht es auch nicht um Kleckerkram, sondern um Milliarden von den Bürgern erarbeitetes Geld, das die Regierung gedankenlos verpulvert.

Doch wirklich tragisch wird es, wenn der Staat bei seinen eigentlichen Aufgaben passt, beispielsweise beim Schutz der Bürger. Das zeigt der Fall des siebenjährigen Mädchens, das da vor einigen Wochen bereits Opfer eines verurteilten Vergewaltigers geworden ist – einen Monat nachdem der aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Sicherheitsverwahrung auf freien Fuß gesetzt worden war. Kurz nachdem Polizei, Landeskriminalamt und Therapeuten entschieden haben, seine Kontrollen zu lockern.

Die Zeitung Die Welt kommentierte das damals: „Manchmal fragen sich Politiker, warum ihr Tun so wenig geachtet wird. Der Dortmunder Fall bietet eine Antwort. Der Staat, finden die Wähler, soll zuallererst Schutz vor absehbarem Unglück bieten – ganz besonders dann, wenn die Abwendung solchen Unglücks allein in politischer Hand liegt. Im Fall von Triebtätern heißt das, dass die Wähler weder Vertrauensseligkeit noch Experimente wünschen.“

Und weiter: „Die Prioritäten stimmen nicht. Nach der Sommerpause diskutiert der Bundestag über eine “Verhandlungslösung im Nahost-Konflikt”. Sehr schön und sicher wichtig, aber im Nahen Osten hat nicht der Bundestag die Hoheit über das Geschehen. Im Fall deutscher Triebtäter hat er sie.“

Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.

Sieg der besonderen Art

Manchmal sind die Dinge ja komplex. Zuweilen richtig von hinten durch die Brust ins Auge. Zum Beispiel bei der Frage, wer etwas von etwas hat – oder gar: den Sieg, die Oberhand. Den Erfolg.

Sicher auch bei der jüngsten Ankündigung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die Steuern senken zu wollen. Vor wenigen Tagen jagte ein Artikel darüber den nächsten, unter anderem von mir in der Welt am Sonntag. Dass die Sache durchgeht, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Etwas anderes dürfte Schäuble auch kaum erwarten.

Was er von der zum Scheitern verurteilten Ankündigung hat?

Ein Pflästerchen auf die Seelen der hilf- und fassungslosen Zuschauer bei dem 780-Milliarden-Euro-Verschenk-Gesetz, wie es Roland Tichy nannte, Chefredakteur der WirtschaftsWoche? Ein „Ich-geb-Dir“-Trumpf für die Verhandlungen mit den Koalitionspartnern – für die nächste “Gibst-Du-mir”-Debatte? Man weiß es nicht so genau.

Meint aber zu ahnen: Der Minister wird etwas mit seinem Zugeständnis anzufangen wissen. Vielleicht hierbei?

Schöne Beschwerde

Wenn Leser sich beschweren, ist das manchmal überraschend erfreulich. So wie bei den Beschwerden, über die mich ein Interviewpartner vor nun mittlerweile schon ein paar Wochen in Kenntnis gesetzt hat.

Über ihn hatte ich in der Augustausgabe des Wirtschaftsmagazins brand eins berichtet. Er hat ein Finanzierungsinstrument erfunden, mit dem Unternehmen ihre Erfindungen finanzieren können: nach dem Vorbild des Bausparvertrags.

Hört sich unspektakulär an, und gerade das sorgt vor allem bei innovativen Unternehmern, aber auch Firmenkundenbetreuern von Banken, für helle Aufregung und gesteigertes Interesse. Dass es so einfach geht….

Hier ist erst der Artikel, dort können Sie mal reinklicken. Und dann schreibe ich Ihnen noch kurz auf, worüber sich die Ansprechpartner bei Herrn Michael Petz beschwert haben, dem Innovationsförderer bei den Industrie- und Handelskammern Stade und Lüneburg-Wolfsburg. Wochen nach Erscheinen des Artikels.

Der Artikel war wie gesagt in der Augustausgabe erschienen, also mitten in den Sommerferien. Ein paar Wochen war Funkstille. Interessanterweise übrigens auch von den vielen Kritikern in den diversen Verbänden und Ministerien, die über den Innovationssparvertrag entscheiden könnten. Überraschend deshalb, weil die nämlich vorher durchaus Wind gemacht hatten. Schon auf die schlichte Anfrage zum Thema hin…

Jedenfalls rief plötzlich binnen weniger Tage gleich eine Handvoll Leute bei Herrn Petz an. Sie beschwerten sich, der Artikel in dem Magazin hätte ihnen den Urlaub verdorben.

Einer erzählte, er habe eigentlich gar nicht arbeiten wollen. brand eins habe er sich zur Entspannung gekauft. Dann habe er den Artikel über das Innovationsbausparen gelesen und den Rest der Zeit am Strand gesessen und gerechnet. Ein anderer rief Petz an und erzählte, er habe das Magazin als Ballast in den Bergen zurücklassen müssen, wo er zu einer Bergtour hingereist war. Das Heft sei einfach zu schwer gewesen. Aber den Artikel habe er nicht vergessen können. Geistig sei er also den Rest des Urlaubs schon wieder bei der Arbeit gewesen…

Das ganze hat übrigens auch etwas mit Steuern zu tun, genauer: mit dem Investitionsabzugsbetrag. Lesen Sie mal rein. Falls Sie Unternehmer sind, werden Sie sicher verstehen, warum das spannend ist…

Vorsichtig vorpreschen

Hübsch übrigens die nun beschlossene Erhöhung der Werbungskostenpauschale, die rasanteste der nun beschlossenen Reformen: Sie soll im Dezember in Kraft treten.

Falls Sie kein Arbeitnehmer sind oder so hohe Werbungskosten verzeichnen, dass Sie sowieso jede Quittung aufbewahren müssen: Die Pauschale steigt also damit schon 2011 von 920 auf 1000 Euro. Konkret: Der Mehrbetrag von 80 EUR wird für 2011 bei der Lohnabrechnung für Dezember als Einmalbetrag steuerfrei belassen und ab 2012 auf die Monate verteilt.

Klingt jetzt nicht nach wahnsinnig viel und ist es auch nicht.

Eher nach einer sehr vorsichtigen Steuerkosmetik. Der Steuervorteil für die betroffenen Arbeitnehmer liegt bei maximal 35 Euro im Jahr. „Viel Lärm um fast nichts“, meint Jörg Strötzel, Vorstand des Lohnsteuerhilfevereins VLH. Lohnsteuerhilfeverein.

Immerhin: Nach Angaben der CDU müssen nun weitere 550.000 Arbeitnehmer keine Belege sammeln. Insgesamt soll diese Änderung die Arbeitnehmer um 330 Millionen Euro entlasten.

Von Raubrittern und korrumpierter Marktwirtschaft

Wirtschaftswoche-Chefredakteur Roland Tichy ärgert sich über das Raubrittertum bei Steuern und Abgaben – und das Unvermögen von Gemeinden und Bund, mit ihrem Geld hauszuhalten, in der Wirtschaftswoche vom 18. Juni 2011: „Ohrfeigen für die Steuerzahler

Und passend dazu noch aus Tichys Blog der Eintrag „Wer hat noch nicht?“. Wo die Bundesregierung spitze ist: bei Subventionen. „Niemals zuvor wurde die Marktwirtschaft derart korrumpiert“, ätzt Tichy da.

Traumfrau Merkel

Dieser bezeichnende Eintrag ist absolut wahr. Er ist ursprünglich als Editorial meines Newsletters Steuern und Bilanzierung erschienen, Anfang April 2010.

>>Liebe Leserin, lieber Leser,

neulich hatte ich einen merkwürdigen Traum.

Ich will gerade von einem Kongress nach Hause, da komme ich an einem Tisch mit ein paar Leuten vorbei, die mich erwartungsvoll anschauen. Ich setze mich dazu. Mir gegenüber: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Frau Merkel schiebt Papierstapelchen hin und her – Kassenbons und Steuerunterlagen von mir, soviel ist klar. Sie schaut mich an und sagt: „So geht das nicht: Ihnen bleibt ja fast nichts.“ Und dann: „Es muss etwas geschehen!“ Steht auf und rauscht davon.
Und ich wache auf und denke nur: „Boah. Toll!!“

Ein Wunschtraum: dass sich Arbeit finanziell richtig lohnt. Und für Mehrarbeit auch nach Steuern nennenswert mehr Geld auf dem Konto landet beziehungsweise – für uns Selbstständige: bleibt.

Dass mich solche Dinge aber schon in den Schlaf verfolgen …

Vielleicht liegt es ja daran, dass ich mich bei der Hartz IV-Debatte in den vergangenen Wochen gewundert habe, dass das Thema Steuer- und Abgabenlast so wenig Thema ist. Erwerbstätige bringen es ja nicht nur wegen geringer Gehälter oft auf gerade mal Hartz IV-Niveau – bei einer vierköpfigen Familie ja immerhin 1653 Euro Hartz IV steuerfrei im Monat. Als Paar mit zweimal Kindergeld und zwei Grundfreibeträgen bleibt Ihnen steuerfrei genauso viel, wie einem Hartz IV-Empfänger. Aber um das Geld auch wirklich für sich zu haben, brauchen Sie mindestens 35 Prozent mehr brutto. 20 Prozent für die Sozialabgaben und 15 Prozent für den Eingangssteuersatz.

Wenn Sie davon leben können, also: 2231,55 Euro brutto – oder: 26.778,60 Euro Jahresbruttogehalt. Viele kommen auf weniger.

Dass wegen der Progression hohe Einkommen soviel stärker belastet werden, ist übrigens nur ein frommer Irrglaube. In kaum einem Land zahlen Geringverdiener so hohe Steuern und Abgaben wie in Deutschland, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) in einer Studie ausgerechnet – nur in Belgien. Ein Alleinstehender mit 67 Prozent des deutschen Durchschnittsgehalts – 2008: 44.000 Euro – gibt 47,3 Prozent vom Gehalt in Form von Steuern und Sozialabgaben ab – Alleinerziehende übrigens kaum weniger – ein alleinstehender Durchschnittsverdiener 52 Prozent.

Das ist enorm, finden Sie nicht auch?

Merkwürdig finde ich, dass als Ausweg aus dieser gesellschaftlichen Falle stets und allein höhere Verdienste gefordert werden. So wichtig und richtig das ist – aber wir leben ja nicht in einer Zentralverwaltungswirtschaft. Und unsere Politiker haben auf Löhne und Tarifabschlüsse daher keinen direkten Einfluss – sehr wohl aber auf Steuern und Sozialabgaben. Umso schleierhafter, dass die aus der Debatte ausgeklammert werden, finden Sie nicht auch? Schade, denn so bleibt eine solch wunderbare Ansage wie die von Frau Merkel leider nur: ein schöner Traum…

Mit freundlichen Grüßen

Midia Nuri<<

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 08.04.2010, Archiv.