Die Kleingärten der Regierung

Erinnern Sie sich noch? Als die Krise so richtig in Gang kam, gab es einige – nicht mal dumme oder übertrieben pessimistische – Leute, die befürchteten, wir würden bald alle in unseren Gärten sitzen und Kartoffeln essen.

Wohl dem, der früh genug welche gesät hatte, meinten sie…

Ob es wohl damit zu tun hat, dass die Bundesregierung sich gerade neben der Bankenrettung um das Wohl der Kleingärtner sorgt? Man weiß es nicht so genau. Was man weiß, ist, wie viel der Spaß kostet. Das rechnet der Bund der Steuerzahler in seinem Schwarzbuch 2011 vor: 100.000 Euro.

Vielleicht sollte ich im Nebenjob Studien im Auftrag der Bundesregierung anfertigen?

„Für 100.000 Euro vom Steuerzahler konnte man der Studie dann atemberaubende Erkenntnisse und Empfehlungen entnehmen, z. B. dass der demographische Wandel teilweise zu wachsendem Leerstand führe, was weitreichende Umnutzungskonzepte erfordere. Und dass die ökologischen Potenziale der Kleingärten sowie die Flexibilität der Vereine und Verbände zu stärken seien – bei Sicherstellung sozialverträglicher Kosten der Kleingärtnerei und unter Berücksichtigung neuer Zielgruppen. Ah ja“, ätzt der Bund der Steuerzahler. Und die letzte – wahrscheinlich nicht wesentlich billigere – Studie zum Thema war erst 2008 heraus gekommen.

Muss ja schnelllebig sein, das Geschäft mit Kleingärten.

In Auftrag gegeben hatte die Vorgängerstudie übrigens das Bundesbauministerium. Das kümmert sich dieses Jahr um Leerstände und Handlungsempfehlungen dafür. Der Auftrag geht nach Auskunft des Steuerzahlerbundes an das Institut, das bereits die 2008er Studie verfasst hat. Kostet dafür aber immerhin diesmal nur 55.300 Euro – und damit rund knapp die Hälfte kosten. Der Steuerzahlerbund ist da unbarmherzig: „Das ist überflüssiger Studien-Aktionismus. Um die Kleingärten und das überschaubare Problem von Leerständen kümmern sich genügend Akteure vor Ort nicht nur in den bestehenden Vereins- und Verbandsstrukturen, sondern auch staatlicherseits“, informiert der Steuerzahlerbund. Von den Landesministerien über den Deutschen Städtetag bis hin zur bundesweiten „Gartenamtsleiterkonferenz Arbeitskreis Kleingartenwesen“, zählt der Verband auf.

Gartenzwerge. Ich vermisse eine Studie zu Gartenzwergen vor leerstehenden Mietobjekten.

Mal im Ernst – wenn Steuergeld verpulvert wird, ist das schlimm genug. Und hier geht es auch nicht um Kleckerkram, sondern um Milliarden von den Bürgern erarbeitetes Geld, das die Regierung gedankenlos verpulvert.

Doch wirklich tragisch wird es, wenn der Staat bei seinen eigentlichen Aufgaben passt, beispielsweise beim Schutz der Bürger. Das zeigt der Fall des siebenjährigen Mädchens, das da vor einigen Wochen bereits Opfer eines verurteilten Vergewaltigers geworden ist – einen Monat nachdem der aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Sicherheitsverwahrung auf freien Fuß gesetzt worden war. Kurz nachdem Polizei, Landeskriminalamt und Therapeuten entschieden haben, seine Kontrollen zu lockern.

Die Zeitung Die Welt kommentierte das damals: „Manchmal fragen sich Politiker, warum ihr Tun so wenig geachtet wird. Der Dortmunder Fall bietet eine Antwort. Der Staat, finden die Wähler, soll zuallererst Schutz vor absehbarem Unglück bieten – ganz besonders dann, wenn die Abwendung solchen Unglücks allein in politischer Hand liegt. Im Fall von Triebtätern heißt das, dass die Wähler weder Vertrauensseligkeit noch Experimente wünschen.“

Und weiter: „Die Prioritäten stimmen nicht. Nach der Sommerpause diskutiert der Bundestag über eine “Verhandlungslösung im Nahost-Konflikt”. Sehr schön und sicher wichtig, aber im Nahen Osten hat nicht der Bundestag die Hoheit über das Geschehen. Im Fall deutscher Triebtäter hat er sie.“

Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.

Sieg der besonderen Art

Manchmal sind die Dinge ja komplex. Zuweilen richtig von hinten durch die Brust ins Auge. Zum Beispiel bei der Frage, wer etwas von etwas hat – oder gar: den Sieg, die Oberhand. Den Erfolg.

Sicher auch bei der jüngsten Ankündigung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die Steuern senken zu wollen. Vor wenigen Tagen jagte ein Artikel darüber den nächsten, unter anderem von mir in der Welt am Sonntag. Dass die Sache durchgeht, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Etwas anderes dürfte Schäuble auch kaum erwarten.

Was er von der zum Scheitern verurteilten Ankündigung hat?

Ein Pflästerchen auf die Seelen der hilf- und fassungslosen Zuschauer bei dem 780-Milliarden-Euro-Verschenk-Gesetz, wie es Roland Tichy nannte, Chefredakteur der WirtschaftsWoche? Ein „Ich-geb-Dir“-Trumpf für die Verhandlungen mit den Koalitionspartnern – für die nächste “Gibst-Du-mir”-Debatte? Man weiß es nicht so genau.

Meint aber zu ahnen: Der Minister wird etwas mit seinem Zugeständnis anzufangen wissen. Vielleicht hierbei?

Ausgehebelt? Nicht doch…

Nichtanwendungserlasse sind so eine Sache. Mit ihnen hebelt die Bundesregierung per Amtserlass unliebsame höchstrichterliche Urteile aus. Diese gelten dann nur noch in dem speziellen Fall. Und für alle, die mit Verweis darauf Einspruch und notfalls Klage erheben.

Sie riechen nach Übervorteilung. Und sind in den vergangenen Jahren oft Anlass für Streit gewesen.

Vor der vergangenen Bundestagswahl versprach denn auch die schwarz-gelbe Regierungskoalition im Koalitionsvertrag, von dieser Praxis Abstand nehmen zu wollen. Gut, was sie gesagt haben, war mal wieder die eine Sache. Was sie seither tun, etwas anderes. Fakt: Schon in den ersten 111 Tagen ihrer Amtzeit zählte der Bund der Steuerzahler drei Nichtanwendungserlasse. „Das dürfte so noch keine Regierung geschafft haben“, schimpfte damals Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler.

Die Regierung lernt offenbar dazu. Oder hat sich mal mit einem Rechtsanwalt unterhalten. Und zeigt nun: Es geht auch anders, wenn auch nicht unbedingt besser: per Gesetzesänderung, ganz einfach. Lästige Diskussionen um Übervorteilung entfallen, schon weil das Parlament hübsch demokratisch eingebunden ist.

Aber die Gesetzesänderung hat auch noch ein paar andere, aus Sicht der Regierung sicher unbestreitbare Vorteile: zum Beispiel den, dass die zuvor höchstrichterlichen – rechtskräftigen – Urteile nun nicht mehr viel wert sind. Schließlich wurden sie ja auf einer anderen Gesetzesgrundlage gesprochen – wenn auch nur formal.

Wie praktisch.

Zum Vergleich: Wer sich in einer ähnlichen Ausgangslage wie der vom BFH beurteilte Fall befand, konnte und kann sich immerhin nach einem Nichtanwendungserlass leicht durchklagen. Nach einer Gesetzesänderung werden die Karten dagegen neu gemischt. Auch dann müssen sich Bürger in ähnlicher Lage selbst hochklagen. Allerdings auf einer neuen Gesetzesgrundlage.

Sie haben also plötzlich kein Urteil mehr, auf das sie verweisen können.

Klar, schließlich gilt ein neues Gesetz. Mehr als durchsichtig allerdings, wenn das praktisch identisch mit der alten Rechtslage ist.

So wie im jüngsten Fall, bei dem die Bundesregierung nach den nun schon halbdutzendfach gesprochenen Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) das Gesetz änderte. Darüber steht heute ein Artikel von mir in der Welt am Sonntag. Bitteschön.

Klagen dürften in dem Fall übrigens beste Chancen haben. Schließlich ändert das neue Gesetz praktisch nichts. Außer der Ausgangslage für potenzielle Kläger.

Bernsteinzimmer falsch gebucht

Nicht nur an Milliarden, auch an Spöttern herrscht bei der Hypo Real Estate gerade kein Mangel. Der Postillon berichtet, das legendäre Bernsteinzimmer sei aufgetaucht. Endlich, im Keller der HRE. „Es handelt sich um einen der größten Kunstfunde der jüngeren Geschichte“, zitiert das Online-Satiremagazin einen Sprecher des Finanzministeriums.

Warum es so lange verschollen war?

Ganz einfach: Es sei versehentlich zwar korrekt auf der Haben-Seite der Bilanz gebucht worden, fälschlicherweise jedoch dazu auch noch auf der Soll-Seite, erläutert der Postillon. Falls Sie das mit der Bilanz auch nicht mehr so genau wissen: Plus ein Bernsteinzimmer minus ein Bernsteinzimmer macht Null Bernsteinzimmer. Das sei das Problem gewesen.

Wie der Fehler rauskam? Ein Buchprüfer habe sich auf der Suche nach einer Toilette in den Keller der HRE verlaufen. „Und in der Annahme, dahinter befinde sich ein „Bedürfniszimmer“ eine Tür mit der Aufschrift „BZ“ öffnete.“ Hübsch auch, was der Postillon noch dem langjährigen Hausmeister in den Mund legt. Der 52-jährige will „all die Jahre“ nichts bemerkt haben: „Sicher, ich fand das Zimmer ein wenig zu dekadent, um nur ein paar Reinigungsutensilien reinzustellen, aber da ich in einer Bank arbeitete, die mit Milliardenbeträgen herumpfuscht, dachte ich, das wäre normal.“

Das wiederum dürfte ziemlich vielen Leuten so gehen.

Kann vorkommen…

Es gibt da die Geschichte von einem Mann, der sich von seinem Nachbarn einen Topf ausleiht. Zurück bringt er zwei Töpfe: einen großen und einen kleinen. Dem erstaunten Nachbarn erzählt er freudestrahlend: “Er hat Kinder bekommen.”

Als er das nächste Mal fragt, leiht der Nachbar dem Mann seinen großen Topf natürlich gern. Diesmal allerdings schwenkt der andere am nächsten Tag bedauernd den Kopf und meint: “Er ist leider heute nacht gestorben.”

Und die Moral von der Geschicht? An die denken wir lieber nicht.

“Ärgerliche Geschichte”, meinte übrigens heute Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu der Sache da, mit den 55 Milliarden Euro in der HRE-Bilanz, schreibt die Financial Times Deutschland.

Wie gut…

…dass da ja kürzlich erst noch unverhofft 55 Milliarden Euro aufgetaucht sind.

Dürfte die Lage also noch rosiger aussehen, also vom Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) für das Handelsblatt ausgerechnet.

„Alles in allem dürfte sich das Defizit am Jahresende auf 23 Milliarden Euro belaufen und damit innerhalb eines Jahres fast halbieren“, erkläurt IfW-Finanzexperte Alfred Boss. Und statt der für das kommende Jahr geplanten 27 Milliarden Euro Defizit müsse der Bund mit 16 Milliarden Euro neuen Schulden auskommen, berichtet Handelsblatt Online.

Schade eigentlich, dass das nur die Frage beantwortet, um wie viel wir die Verschuldung steigern – ein bisschen weniger als befürchtet eben. Selbst mit konstant sinkenden Defiziten würde die Staatsverschuldung weiter steigen. Schließlich geht es um die ja gar nicht. Sondern um Rechnungslegung pro Jahr – nicht mal pro Legislaturperiode.

Noch ein klein bisschen stärker werden wir uns dann ausgerechnet im Wahljahr 2013 wieder verschulden, erwartet IfW-Experte Boss. „Grund sind zum einen die geplanten Zahlungen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro an den Euro-Rettungsfonds ESM.“

Wenn das denn mal schon alles gewesen ist, heißt das natürlich. Ach so, und natürlich, wenn nicht der nächste kleine Rechenfehler mal eben 55 Milliarden Euro Miese mehr einbringen.