Schirrmacher und das Gespenst des Kapitalismus

Bankenrettungen, Staatenrettungen, Vergemeinschaftung von Verlusten und Lasten auf Kosten vor allem des deutschen Steuerzahlers – und demnächst mit einiger Wahrscheinlichkeit das Ganze von vorn.

So sieht es derzeit aus in Europa. Und das treibt auch so manchen in die Sinnkrise. Besonders tief und – ja: auch verstörend nun: Frank Schirrmacher.

Der für das Feuilleton verantwortliche Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung („Das Methusalem-Komplott) schrieb in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 14.8. einen Artikel über die ernüchterten Konservativen, den faz.net am 15.8. online stellte. „Gerade zeigt sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen“, schreibt Schirrmacher da.

Kronzeuge, an dem Schirrmacher festmacht, wie tief in der Sinnkrise die Konservative steckt, ist der „erzkonservative Charles Moore“, ein Thatcher-Biograph. Schirrmacher zitiert aus einem Artikel Moores in der Zeitung „Daily Telegraph“. „Die Stärke der Analyse der Linken liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern“, zitiert Schirrmacher. Und weiter: „,Globalisierung‘ zum Beispiel sollte ursprünglich nichts anderes bedeuten als weltweiter freier Handel. Jetzt heißt es, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen. Die Banken kommen nur noch ,nach Hause‘, wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unsere Regierungen ihnen neues.“

Schirrmacher kommentiert dies so: „Es gibt Sätze, die sind falsch. Und es gibt Sätze, die sind richtig. Schlimm ist, wenn Sätze, die falsch waren, plötzlich richtig werden. Dann beginnt der Zweifel an der Rationalität des Ganzen.“

Schirrmachers beziehungsweise Moores Befund: Die Gesellschaft werde instrumentalisiert. Verteilt werde von der „aufstiegswilligen Mehrheit“ zu den „gierigen Wenigen“ (Moore). Und konservative Politiker wie die Bundeskanzlerin oder der Bundespräsident und ihre Partei schwiegen dazu, kritisiert Schirrmacher. Ihn macht all dies „in seiner gespenstischen Abgebrühtheit einfach nur noch sprachlos“.

Gespenstisch.

Die im Dunkeln sieht man (auch weiter) nicht

Wem nützt es, wem schadet es? Das ist eine der spannendsten Fragen für jeden Journalisten.

Ach, nicht nur für die.

Beim nun geschlossenen Abkommen mit der Schweiz scheint die Sache ja klar: Den Reichen nützt es, denen die ihr Geld in der Schweiz vor dem Fiskus versteckt haben. Klingt schön einfach, ist aber nur die halbe Wahrheit.

Tatsächlich ist das Bild für Finanzamtspreller gemischt: Die einen sind mit dem pauschalen Abgeltungssteuersatz ganz gut bedient, die anderen eher nicht – sie kämen mit einer Selbstanzeige teils deutlich besser weg, wenn sie mal nachrechnen würden.

Schön für sie ist natürlich grundsätzlich und überhaupt: Sie können es sich mehr oder weniger frei aussuchen, was sie tun – wovon jeder Lohnsteuerzahler, dem die Lohnsteuer abgezogen und jeder Unternehmer, dem jede Rechnung in einer Umsatzsteuer- oder Lohnsteueraußenprüfung dreimal umgedreht und diskutiert wird, nur träumen kann. Hier steht mehr, falls Sie nochmal nachlesen wollen, bitte.

Doch wer hat den vielleicht größten Nutzen?

Das sind: Kriminelle. Hehler, Korrupte, Waffen-, Drogen-, Frauenhändler. Leute, die ihr Geld vor Geschäftspartnern oder unterhaltsberechtigten Familienangehörigen verheimlichen (=Betrüger). Um nur die wichtigsten zu nennen.

Immerhin verzichtet die Bundesregierung ja mit Inkrafttreten des Abkommens – das ist Teil der Übereinkunft – darauf, weiter die vor kurzem noch für viel Geld angekauften CDs mit Daten von Steuersündern auszuwerten. Und sichert Steuersündern somit auch weiter Anonymität zu – zusätzlich zu der umstrittenen Straffreiheit. Wenig bekannt ist auch, dass sie das Geld auch weiter unbehelligt sagen wir: zur Singapurer Filiale ihrer Schweizer Hausbank überweisen können, um sich noch ein wenig weiter der Besteuerung zu entziehen.

Dass es reichen Steuerhinterziehern nützt ist nur eine hübsche Vernebelungstaktik.

Der Steuervorteil durch Hinterziehung allein ist nämlich eigentlich lächerlich, das hat mir der von mir befragte Experte Peter Lüdemann, Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner der Beratungsgesellschaft Ecovis, für einen Artikel in der Welt am Sonntag vom 14.8.2011 glaubhaft versichert: „Aus steuerlicher Sicht ist der Schmuggel von Kapital ins Ausland eigentlich idiotisch“, sagte er. Logisch: Schließlich ist das im Ausland gebunkerte Geld ja blockiert. Sie haben also nun vielleicht 1000 Euro Steuern gespart, aber dafür können Sie sich von den 100.000 hinterzogenen Euro auch keine Wohnung, Auto oder sonst etwas kaufen. Bitteschön.

Kurz: Das Abkommen hilft allen, die Geld zu verdunkeln haben. Man sieht sie auch weiter nicht.

Unmoralischer Volkssport

Steuerhinterziehung gilt hierzulande als Volkssport. Umso verwunderlicher eigentlich, dass sich kaum einer selbst in anonymen Umfragen offen dazu bekennt. Vielleicht ist es so verwunderlich aber auch wieder nicht, wenn auch nur annähernd stimmt, was die Studie der DDB Worldwide Communications Group ergeben hat, über die CNN Money da vor einiger Zeit mal berichtet hat.

Was da nämlich über den typischen allerdings amerikanischen Steuerbetrüger herauskam, ist alles andere als schmeichelhaft.

Der typische amerikanische Steuerbetrüger sei nicht nur weiß, männlich und im Schnitt unter 45 Jahren alt, berichtet CNN Money. Er bringt auch noch ein paar typische Einstellungen mit und begeht allerhand Delikte. So mäkelt er der Studie zufolge gern mal am Essen herum – nur um sich ein kostenloses Mittagessen zu erschleichen. Auch tausche er bereits getragene Kleidungsstücke um und sei vor allem deutlich stärker von sich selbst überzeugt, als Amerikaner, die nicht Steuern hinterzögen. Deutlich mehr Steuerhinterzieher hätten der Untersuchung zufolge von sich erklärt, sie seien „besonders und verdienten es, so behandelt zu werden“, zitiert die Online-Finanzredaktion des Fernsehsenders.

Übrigens ist das eine ganz typische Haltung für Täter in allen erdenklichen Fällen von Wirtschaftskriminalität. Von dieser Überzeugung bei gefassten Tätern berichten Experten immer wieder, egal ob es um Betrug, Untreue oder Diebstahl geistigen Eigentums ging.

Und auch sonst legten die amerikanischen Steuerbetrüger der Studie zufolge eine überraschend hohe Unmoral an den Tag. „Deren Bereitschaft zum Betrug ist nicht auf ihre Steuern begrenzt, sondern deckt eine breite Spanne von Situationen und Verhalten ab, wo sie mit etwas davonzukommen versuchen“, bilanziert CNN Money.

Amerikanische Steuersünder arbeiten nicht nur überdurchschnittlich oft schwarz- 73 Prozent der Steuersünder gegenüber 20 Prozent der Steuerehrlichen –, sondern behalten zudem auch falsch herausgegebenes Wechselgeld, fälschen Job-Referenzen oder gäben ein niedrigeres Einkommen an, um Sozialhilfe zu kassieren. Bei all dem waren Steuerbetrüger der Studie zufolge deutlich überrepräsentiert. Sie seien nicht einmal davor zurückgeschreckt, ihrem Kind Geld aus der Spardose zu stehlen, empörte sich CNN Money.

Übrigens zogen sich die Ergebnisse quer durch alle Schichten: Weder der Steuerbetrug noch die damit einhergehenden schlechten Eigenschaften waren auf irgendeine Einkommensschicht begrenzt.

Hello again

Kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, ist offenbar konsensfähig.

„Welt Online“ berichtet über eine aktuelle Umfrage des Institutes dimap, nach der 66 Prozent der Bundesbürger eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen für richtig halten. Nach Parteien aufgeschlüsselt, sind 72 Prozent der Unionsanhänger dafür und 65 Prozent der SPD-Sympathisanten.

Ganz große Koalition also.

Aber gerade für Geringverdiener wäre es sinnvoller, vor den Steuernachlässen erst einmal die Sozialabgaben herunterzufahren. Schließlich zahlen a) nur die Hälfte der Haushalte überhaupt Steuern. Die andere Hälfte hätte also von den Senkungen nichts.

Aber nicht nur das spricht dafür, sondern auch dass die Sozialabgaben der Höhe nach dem Leistungsprinzip widersprechen. Sie schlagen vom ersten Euro an mit 20,4 Prozent zu. Für Freiberufler wie mich und andere Versicherte der Künstlersozialkasse gilt übrigens theoretisch – und wahrscheinlich auch praktisch – ein Mindestbeitrag von monatlich rund 80 Euro, einkommensunabhängig. Und ab einem Einkommen von 4.800 Euro bzw. 57.600 Euro Jahreseinkommen steigen die Sozialabgaben nicht mehr weiter.

Das Gegenteil von Progression also.

Mit den für kleine und mittlere Einkommen überproportional steigenden Steuertarifen kommt da einiges zusammen.

Halten wir mal fest: Bei den derzeitigen Steuersätzen haben Geringverdiener eine Mindestbelastung von 20,4 Prozent. Ab einem monatlichen Einkommen von knapp 670 Euro aufwärts an (die 8004 Euro Grundfreibetrag pro Person bleiben steuerfrei) kommt mit jedem Euro ein bisschen was an Steuern dazu.

Konkret: Mit 14 Prozent Grenzsteuersatz für jeden zusätzlich verdienten Euro fängt es an – macht zunächst also 21,4 Prozent Gesamtbelastung. Anfangs. Tendenz rasch steigend. Mit 20.000 Euro Einkommen führen Sie laut Grundtabelle für Singles und getrennt Veranlagte schon 34,4 Prozent insgesamt ab – bei 14 Prozent Durchschnitts- und 28 Prozent Grenzsteuersatz.

Warum ich das vorrechne?

Weil heute wieder Steuerzahlergedenktag ist. Seit heute früh arbeiten wir alle auf eigene Rechnung.

Hallo Geld.

Den Gedenktag ruft einmal jährlich der Bund der Steuerzahler aus. Zum Gedenken daran, dass Sie bis zu diesem Tag – 3.36 Uhr, so genau nimmt es der Verband – Ihre gesamten Einkünfte an den Staat abgetreten haben. Dieses Jahr werden es übrigens laut Steuerzahlerbund voraussichtlich 51 Prozent für Steuern und Sozialabgaben sein. Das hat der Steuerzahlerbund anhand der Volkswirtschaftlichen Einkommensbelastungsquote (Summe der Steuern und Abgaben im Verhältnis zum Volkseinkommen) ausgerechnet, teilt er mit. Falls Sie nachrechnen wollen.

Insgesamt setzt sich dem Verband zufolge die Belastung so zusammen:

  • 10,20 Prozent: Lohn- und Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag
  • 10,10 Prozent: Rentenversicherung
  • 7,80 Prozent: Krankenversicherung
  • 7,10 Prozent: Mehrwertsteuer
  • 2,00 Prozent: Energiesteuer
  • 1,50 Prozent: Arbeitslosenversicherung
  • 1,00 Prozent: Pflegeversicherung
  • 11,30 Prozent: Sonstige Steuern und Abgaben, wie Erbschaftssteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Versicherungssteuer, Hundesteuer, Kaffeesteuer usw.

(Quelle: Bund der Steuerzahler, Prognose für 2011, Summe der Steuern und Abgaben entsprechen 51 Prozent des Volkseinkommens)

Schäuble-Show

Er gibt sich gern knauserig, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Ich wäre ja nicht undankbar, wenn der Staatshaushalt tatsächlich nicht unnötig strapaziert wird, vor allem mit Blick auf meine Kinder.

Wenn es denn mal so wäre.

Ist es aber nicht.

„Die Welt“ rechnet es heute vor: „Schäuble hat die Ausgaben keineswegs gesenkt oder auch nur stabil gehalten, sondern deutlich nach oben korrigiert“, schreibt die Kommentatorin. Statt jeden Euro zweimal umzudrehen, sitze das Geld erstaunlich locker. Milliardenschwere Mehrausgaben für die Energiewende. Subventionen für Elektroautos und Klimahäuser nennt die Zeitung. Und von 2013 an der milliardenschwere Rettungsschirm ESM für EU-Schuldensünder hinzu. „Dann spürt der Steuerzahler, anders als bei den horrenden Beträgen, für die Deutschland schon jetzt haftet und die bislang noch gar nicht im Haushalt auftauchen, die Belastung zumindest zum Teil sofort“, schreibt „Die Welt“.

Die Rechnung geht an den Steuerzahler. Schade eigentlich, dass da mal wieder der Eindruck entsteht, Mehrausgaben und Mehrkosten gingen jederzeit in Ordnung, wenn die Zeche bloß der Steuerzahler zahlt, wogegen Entlastungen für den Steuerzahler geradezu als Zumutung gesehen werden.

Dass die Belange des Steuerzahlers den Herrn Finanzminister nicht gar zu sehr bekümmern, der Eindruck ist ja nicht ganz jung. Immerhin ist Herr Schäuble ja auch schon eine ganze Weile im Geschäft. Ich lese da gerade ein sehr spannendes Buch: „Inside Steuerfahndung“ von Frank Wehrheim aus dem riva Verlag (ISBN 978-3-86883-105-4). Der ehemalige Steuerfahnder hat unter anderem auch in Sachen diverse Parteispendenskandale ermittelt. Jahrelang war er vor allem für das Finanzamt Frankfurt am Main tätig. Aufregende Lektüre. In deren zweitem Teil es eben auch um die ernüchternden Praktiken diverser damaliger Regierungsmitglieder und -parteien geht, von den ausgehenden 70ern bis in die späten 90er hinein.

In dem Sumpf aus Schwarzgeldkonten, Kofferübergaben und sonstigen anonymen Spenden hing ja auch Herr Schäuble mit drin. Schäuble war es, der 2000 eingestand, vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber im 1994 eine Bar-Spende über 100.000 DM für die CDU entgegengenommen zu haben. Übrigens soll Schäuble – der ja immerhin mal Finanzbeamter war – gesagt haben, dass er sich bei der damaligen CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister um eine Quittung für die Spende bemüht habe – nachdem ihm die Ermittlungen gegen Schreiber bekannt geworden sind. Damit nicht irgendwer später „auf dumme Gedanken“ kommen könne.

Stellen Sie sich vor: Der Mann ist gelernter Finanzbeamter.

Gut, es war nicht Schäuble, der sich nicht nur an gar nichts mehr erinnern konnte, sondern auch noch vorgebliche anonyme jüdische Vermächtnisse vorschob und später steif und fest dabei blieb, er habe sein „Ehrenwort“ gegeben, die Identität der Spender nicht zu verraten.

Versuchen Sie mal, sich gegenüber Ihrem Finanzbeamten mit Erinnerungslücken herauszureden, wenn der Sie auf eine nicht verbuchte Einnahme anspricht. Sehen Sie…

Er wird es nicht mögen, der Bundesfinanzminister, aber sie ist nun mal in der Welt: die Fernsehaufzeichnung von der Pressekonferenz zum Amtsantritt seiner Regierung, in der ein niederländischer Journalist von der Zeitung „De Telegraaf“ aus Amsterdam die Bundeskanzlerin auf Schäubles Rolle in der CDU-Spendenaffäre ansprach. Warum sie ihm das Finanzministerium anvertraue. Und gleich im Anschluss, was Schäuble selbst dazu sagte, als Moderatorin Maybritt Illner ihn auf den Vorfall ansprach. 

Wehrheim, aber sicher auch viele andere Steuerfahnder – immerhin zumeist treue Staatsdiener – hat das ganze offenbar verbittert. „>>Erst die Partei, dann das Land<<, schien das gängige Leitmotiv in unserer Politik zu sein.“ Und weiter schreibt Wehrheim: „Als ehemaliger Steuerfahnder wüsste ich zu gerne, wo die Million heute liegt.“ (die Rede war an der Stelle gerade von der Million, die der vormalige CDU Schatzmeister Walter Leisler-Kiep mal an die CDU erstattete mit dem Hinweis, er habe sie auf seinem privaten Konto „gefunden“ und könne sich nicht erklären, wo sie herkomme. (Waren noch mehr Milliönchen, nur nebenbei.) Außerdem fragt sich Wehrheim, ob das Geld und die Zinserträge auch versteuert wurden. „Ich würde es mir in unser aller Sinne wünschen…“, schließt er.
Dem kann ich mich nur herzlich anschließen.

Tipp: In dem Buch geht es aber nicht nur um Parteispendenskandale, sondern um Steuerstraftaten jeder Art. Begangen von Groß und Klein, um es mal so auszudrücken. Spannend wie ein Krimi: Frank Wehrheim: „Inside Steuerfahndung“, riva Verlag, ISBN: 978-86883-105-4, Preis: 19,99 Euro (und elektronisch für Kindle: 14,99 Euro). Viel Vergnügen.

Kirchhof, alter Romantiker…

Er ist wieder da, der Heidelberger Professor. So betitelte Altbundeskanzler Gerhard Schröder Paul Kirchhof einmal zu Wahlkampfzeiten. Und er hat sein Steuermodell der 25 Prozent auf alles noch ein wenig verfeinert. Die 33.000 Paragraphen des deutschen Steuerrechts will er auf 146 zusammenschnurren lassen, hat die Süddeutsche Zeitung ausgerechnet.

Für Kirchhof hat die Frage, wie der Bürger besteuert wird, viel mit der Frage nach der Würde des Menschen zu tun. Die Steuer hat Kirchhof vor ein paar Jahren in seinem Buch „Der Weg zu einem neuen Steuerrecht“ bezeichnet als: „Ausdruck der jeweiligen Freiheitskultur: Sie belässt das Wirtschaftsleben in privater Hand, vertraut auf die freiheitlichen Initiativen der Menschen und zieht sich darauf zurück, einen maßvollen Teil des erzielten Privateinkommens und der eingesetzten Kaufkraft für den Staat zu beanspruchen. Die Steuer fordert Zahlungen, nicht aber Hand- und Spanndienste, Lehens- und Treueverhältnisse“, so stellt es sich Kirchhof vor.

Wenn das Steuerrecht dem Staat Herrschaft nicht nur über Geld, sondern auch über die Verhaltensfreiheit des Steuerpflichtigen vermittelt, entfernt es sich von der ursprünglichen Idee des Steuerstaates“, bemängelt Kirchhof. Schließlich waren es die „Feudalzeiten des Mittelalters“, in denen Könige und Fürsten als Besitzer von großen Ländereien auch Herrschaft über die dort wohnenden Menschen gewonnen hätten. Kirchhof fordert: „Wer sein Verhalten an staatlichen Investitions- oder Umweltschutzprogrammen ausrichtet, wird für diese Staatstreue nicht steuerlich belohnt, wer im Rahmen der Gesetze eigene Wege geht, nicht steuerlich benachteiligt.“

Schön wär’s.

Kirchhof ist eben ein Romantiker. Nein, ich denke jetzt nicht an Abendessen bei Kerzenschein oder Hochzeit in weiß, sondern an die Verve, Werte und Überzeugungen noch einzufordern. Idealismus, selbst im Steuerrecht. Als ehemaliger Verfassungsrichter nimmt Kirchhof verfassungsrechtliche Werte und Regeln noch beim Wort.

Ob es die von vielen im Steuerrecht ersehnte Bewegung ins Spiel bringen wird – viele halten das ja für sehr unwahrscheinlich. Mag sein, dafür sprechen die vielen Lobbyverflechtungen zu Leuten, denen Kirchhofs Ideen mächtig gegen den Strich gehen werden. In jedem Fall kann es die Debatte darüber, wem was bleibt und warum nur beflügeln. Und das könnte sich noch als eine Menge wert erweisen. Wer weiß. Wer es nicht versucht, hat jedenfalls erfahrungsgemäß schon gleich verloren.

Vorsichtig vorpreschen

Hübsch übrigens die nun beschlossene Erhöhung der Werbungskostenpauschale, die rasanteste der nun beschlossenen Reformen: Sie soll im Dezember in Kraft treten.

Falls Sie kein Arbeitnehmer sind oder so hohe Werbungskosten verzeichnen, dass Sie sowieso jede Quittung aufbewahren müssen: Die Pauschale steigt also damit schon 2011 von 920 auf 1000 Euro. Konkret: Der Mehrbetrag von 80 EUR wird für 2011 bei der Lohnabrechnung für Dezember als Einmalbetrag steuerfrei belassen und ab 2012 auf die Monate verteilt.

Klingt jetzt nicht nach wahnsinnig viel und ist es auch nicht.

Eher nach einer sehr vorsichtigen Steuerkosmetik. Der Steuervorteil für die betroffenen Arbeitnehmer liegt bei maximal 35 Euro im Jahr. „Viel Lärm um fast nichts“, meint Jörg Strötzel, Vorstand des Lohnsteuerhilfevereins VLH. Lohnsteuerhilfeverein.

Immerhin: Nach Angaben der CDU müssen nun weitere 550.000 Arbeitnehmer keine Belege sammeln. Insgesamt soll diese Änderung die Arbeitnehmer um 330 Millionen Euro entlasten.

Vorsichtig vorpreschen

Hübsch übrigens die nun beschlossene Erhöhung der Werbungskostenpauschale, die rasanteste der nun beschlossenen Reformen: Sie soll im Dezember in Kraft treten.

Falls Sie kein Arbeitnehmer sind oder so hohe Werbungskosten verzeichnen, dass Sie sowieso jede Quittung aufbewahren müssen: Die Pauschale steigt also damit schon 2011 von 920 auf 1000 Euro. Konkret: Der Mehrbetrag von 80 EUR wird für 2011 bei der Lohnabrechnung für Dezember als Einmalbetrag steuerfrei belassen und ab 2012 auf die Monate verteilt.

Klingt jetzt nicht nach wahnsinnig viel – und ist es auch nicht.

Ehrer nach einer sehr vorsichtigen Steuerkosmetik. Der Steuervorteil für die betroffenen Arbeitnehmer liegt bei maximal 35 Euro im Jahr. „Viel Lärm um fast nichts“, meint Jörg Strötzel, Vorstand des Lohnsteuerhilfevereins VLH. Lohnsteuerhilfeverein.

Immerhin: Nach Angaben der CDU müssen nun weitere 550.000 Arbeitnehmer keine Belege sammeln. Insgesamt soll diese Änderung die Arbeitnehmer um 330 Millionen Euro entlasten.

Hoppla – Kinderkacke!

Da war doch was: Ein Hinweis meiner Steuerberaterin wegen unserer Kinderbetreuungskosten. Die mache ich – wir sind beide berufstätig – als Betriebsausgaben steuerlich geltend. Zu zwei Drittel, aber in der Hoffnung, sie vielleicht doch noch voll von meinem zu versteuernden Einkommen abziehen zu können. Irgendein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof läuft da gerade – die Steuerbescheide der vergangenen Jahre sind jedenfalls in dem Punkt noch offen.

Und es sieht offenbar gut aus.

Nehme ich jedenfalls an. Oder warum sonst sollte die Bundesregierung nun flugs mit einer kleinen Vereinfachung bei der Hand sein: Sie, liebe Steuerzahler – und ich natürlich auch – brauchen nun bald nicht mehr mühselig in der Anlage Kind zu unterscheiden, ob Sie die Kinderbetreuungskosten wegen Ihrer Berufstätigkeit, Ausbildung oder Krankheit der Eltern auf sich nehmen. Es geht nun ganz einfach: Sie tragen die Kosten bloß bei den Sonderausgaben in Ihrem Mantelbogen ein. Ganz einfach. Das können von nun an alle Eltern mit allen Kinderbetreuungskosten. Bis zu zwei Drittel der Kosten sind abziehbar, maximal 4.000 EUR pro Kind unter 14 Jahren.

Ob der BFH den vollen Steuerabzug für berufsbedingte Kinderbetreuungskosten dann am Ende durchwinkt, das braucht uns dann natürlich nicht mehr zu interessieren. Sind ja jetzt andere Kosten.

Pech, wenn Sie Ihr Kind aus beruflichen Gründen betreuen lassen.

Sicher auch schön für den Fiskus: Da Sie ja nur noch die berufsbedingten Steuerberatungskosten steuerlich geltend machen können – also praktisch für alles, was der Steuerberater nicht in den Mantelbogen schreibt – , dürfte der Anteil der privat veranlassten und damit nicht abziehbaren Steuerberatungskosten nun ein bisschen üppiger ausfallen. Ist ja Ihr Geld.
Aber irgendwen wird die neue Regelung schon freuen. Schließlich soll diese Steuererleichterung den Staat angeblich jährlich etwa 60 Millionen Euro kosten. Wenn’s stimmt.

Kleiner Nachtrag: Ich habe jemanden gefunden, den die Neuerung freuen wird: Die Kommunen. Sie werden weniger Zuschüsse zu Kitabeiträgen oder Tagesmütterhonoraren zahlen müssen. Denn: Der Zuschuss bemisst sich vielerorts am Bruttoeinkommen. Und das fällt natürlich höher aus, wenn es nicht durch Kinderbetreuungskosten gemindert wird. Darauf hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung in dem Zusammenhang schon vor Jahresende hingewiesen.

Mehr Brutto bedeutet natürlich auch: höhere Beiträge an die gesetzliche Sozialversicherung. Auch die wird’s freuen.

Umgekehrt allerdings auch: Mehr Brutto gleich mehr Elterngeld im nächsten Jahr.

German Roulette. Oder manche würden sagen „Linke Tasche, rechte Tasche“.
 

Von Raubrittern und korrumpierter Marktwirtschaft

Wirtschaftswoche-Chefredakteur Roland Tichy ärgert sich über das Raubrittertum bei Steuern und Abgaben – und das Unvermögen von Gemeinden und Bund, mit ihrem Geld hauszuhalten, in der Wirtschaftswoche vom 18. Juni 2011: „Ohrfeigen für die Steuerzahler

Und passend dazu noch aus Tichys Blog der Eintrag „Wer hat noch nicht?“. Wo die Bundesregierung spitze ist: bei Subventionen. „Niemals zuvor wurde die Marktwirtschaft derart korrumpiert“, ätzt Tichy da.