Schweizer widerspricht Schirrmacher

Der österreichischen Zeitung „Freie Presse“ ist der Schirrmacher-Artikel (Lady Godiva berichtete hier) gleich eine lose Folge von Entgegnungen wert. Andreas Khol, 2002 bis 2006 Erster Präsident des Nationalrats. Bezeichnet sich selbst stolz als (Wert-)Konservativen und war lange Zeit Kolumnist der „Freien Presse“.

Die Marktwirtschaft habe nicht nur die Reichen reicher gemacht, sondern auch die Ärmeren, hält Khol Schirrmacher und Moore entgegen. Der Wohlstand sei heute breiter und internationaler verteilt, als je zuvor. „Was Schirrmacher und Moore zu Recht feststellen, hat mit links und rechts nichts zu tun“, ist er überzeugt. „Es ist der Verzicht darauf, Schuldige zur Rechenschaft zu ziehen“, kritisiert auch Khol. Sehe man von verurteilten Betrügern und Veruntreuern ab, so blieben jene, die das System der Sozialen Marktwirtschaft missbraucht, die Krisen verursacht, ihre Banken an die Wand gefahren haben, bisher ungeschoren, hält Khol fest. „Ebenso Verantwortliche für die Euro-Krise: Wie konnten die Brüsseler Stellen die betrügerischen griechischen Angaben durchlassen?“, fragt er sich. „War da Bestechung im Spiel? Wer hängt den Katzen endlich die Schelle um: den Schuldenmachern in den Euroländern, die sich über die Maastricht-Kriterien straffrei hinwegsetzen können? Wer zieht Gerhard Schröder und Jacques Chirac zur Verantwortung, die durchgesetzt haben, dass die drei Prozent Schuldenbremse im EU-Verfassungsrecht nicht beachtet, der Vertrag ständig gebrochen wird? Wo blieben EU-Kommission, Gerichtshof und Parlament?“

Khol gibt Schirrmacher Recht darin, das Bürgertum, das seine Werte und Lebensvorstellungen von den gierigen Wenigen missbraucht sehe, müsse in sich selbst die Fähigkeit zur Gesellschaftskritik wiederfinden – und so der sozialen Marktwirtschaft und dem Recht zum Durchbruch verhelfen.

Schirrmacher und das Gespenst des Kapitalismus

Bankenrettungen, Staatenrettungen, Vergemeinschaftung von Verlusten und Lasten auf Kosten vor allem des deutschen Steuerzahlers – und demnächst mit einiger Wahrscheinlichkeit das Ganze von vorn.

So sieht es derzeit aus in Europa. Und das treibt auch so manchen in die Sinnkrise. Besonders tief und – ja: auch verstörend nun: Frank Schirrmacher.

Der für das Feuilleton verantwortliche Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung („Das Methusalem-Komplott) schrieb in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 14.8. einen Artikel über die ernüchterten Konservativen, den faz.net am 15.8. online stellte. „Gerade zeigt sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen“, schreibt Schirrmacher da.

Kronzeuge, an dem Schirrmacher festmacht, wie tief in der Sinnkrise die Konservative steckt, ist der „erzkonservative Charles Moore“, ein Thatcher-Biograph. Schirrmacher zitiert aus einem Artikel Moores in der Zeitung „Daily Telegraph“. „Die Stärke der Analyse der Linken liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern“, zitiert Schirrmacher. Und weiter: „,Globalisierung‘ zum Beispiel sollte ursprünglich nichts anderes bedeuten als weltweiter freier Handel. Jetzt heißt es, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen. Die Banken kommen nur noch ,nach Hause‘, wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unsere Regierungen ihnen neues.“

Schirrmacher kommentiert dies so: „Es gibt Sätze, die sind falsch. Und es gibt Sätze, die sind richtig. Schlimm ist, wenn Sätze, die falsch waren, plötzlich richtig werden. Dann beginnt der Zweifel an der Rationalität des Ganzen.“

Schirrmachers beziehungsweise Moores Befund: Die Gesellschaft werde instrumentalisiert. Verteilt werde von der „aufstiegswilligen Mehrheit“ zu den „gierigen Wenigen“ (Moore). Und konservative Politiker wie die Bundeskanzlerin oder der Bundespräsident und ihre Partei schwiegen dazu, kritisiert Schirrmacher. Ihn macht all dies „in seiner gespenstischen Abgebrühtheit einfach nur noch sprachlos“.

Gespenstisch.