| haben Sie auch schon mal darüber nachgedacht, sich den Kaffee intravenös geben zu lassen? Oder sind Sie mehr der Typ für Iced Frappucino Irgendwas aus der nächstgelegenen Kaffeebar? Also ich habe ja nichts gegen einen schönen „Koffie verkeerd“ einzuwenden, wie ein leichter Milchkaffee mit mehr lockerem Milchschaum als Kaffee in den Niederlanden heißt.
Aber im Notfall muss ein guter Kaffee einfach schwarz und süß sein, finde ich. Falls Sie auch gelegentlich nach dem schnellen Doping lechzen, wird Sie diese neue Erfindung von Harvard-Professor David Edwards sicherlich interessieren. Der Experte für biomedizinische Technik hat den ersten Kaffee zum Inhalieren auf den Markt gebracht. Geht schnell, macht keine Flecken und schont den Magen. Was will man mehr? Einfach den lippenstiftgroßen Inhalator ansetzen und einen tiefen Zug aus dem Aerosol nehmen. Hallo wach! Ein Atemzug aus dem Inhalator enthält genau soviel Koffein wie ein kurzer Kaffee – und schmeckt angeblich auch ähnlich, berichtete tagesschau.de kürzlich. Nicht verstanden habe ich allerdings, was ich mit dieser neuartigen Schokolade zum Inhalieren anfangen soll, die der Professor ebenfalls erfunden hat. Wo bleibt da der Genuss? Nun, unverständliche Produkte wecken meine Neugier. Also gleich auf die Firmenhomepage von Edwards geklickt, der auch das Schoko-Aerosol erfunden hat. Es enthält keine Kalorien. Na, dann: klar … Brauchen werde ich das aber wohl nicht, wenn ich dieser neuen Studie einer britischen Bäckereikette glauben darf, über die die Zeitung The Telegraph neulich berichtete. Schließlich arbeite und erziehe ich Kinder. Das verbraucht eine Menge zusätzlicher Kalorien. Bügeln, Bettenmachen, die Haare der Kinder bürsten, all so etwas eben. Von 7 bis 23 Uhr seien sie im Schnitt zugange, berichteten die befragten Mütter. 500 Kalorien zusätzlich, bilanziert die Studie. Soviel, als wenn Sie ein Leben lang täglich Rad fahren würden. Die Bäckereikette will mit der Studie übrigens offenbar mehr oder weniger sanft darauf hinwirken, dass Mütter die eingesparten Kalorien mit Frühstücksbedarf des Unternehmens decken. Denn auch das sparen sich laut Studie fast die Hälfte der Mütter. Brauchen wir nun alle nicht mehr – notfalls gibt es dann eben nur ein Näschen voll Schoko … |
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aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 26.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html |
Archiv für den Monat: November 2010
Tauschwirtschaft
die Überwindung des Tauschhandels gilt in der Wirtschafts- und Finanzgeschichte als Riesenfortschritt.
Ich bin ja auch sehr froh, dass ich nicht mit einer Ziege zum Markt laufen muss, um sie gegen Gemüse, Eier oder Hühnchenschenkel einzutauschen. Es sind vor allem Notzeiten, in denen der Tauschhandel auch heute noch gelegentlich erblüht, hierzulande etwa in Form der vielen Tauschringe und -börsen in verschiedenen Städten. Bei manchen handeln die Teilnehmer ausschließlich mit Naturalien – Gütern und Dienstleistungen –, bei anderen mit Punkten oder einer eigenen Ersatzwährung.
Als Art der Nachbarschaftshilfe oder auch als Mittel, überflüssige Gegenstände im Tausch gegen etwas hübsches loszuwerden, mag es ja gehen, hatte ich bisher gedacht.
Dass das wirklich lukrativ sein soll, hätte ich nicht geglaubt. Sie vielleicht?
Wir sollten unser Urteil überdenken. Auch mit Tauschen kann man offenbar reich werden. Zumindest im Einzelfall – und der heißt Kyle MacDonald. Der arbeitslose Kanadier begann im Sommer 2005, über das Internet Sachen zu tauschen und schrieb darüber sein Buch „One red paperclip“ – eine rote Büroklammer. Mit einer solchen Büroklammer und genug Zeit zur Verfügung hatte er mit dem Tauschen angefangen. Immer seins gegen etwas größeres und besseres.
Raten Sie mal, was er am Ende dafür bekam? Sein Traumhaus, sagt er.
Kein schlechter Tausch gegen eine rote Büroklammer, finden Sie nicht auch? Versuchen Sie mal, mit einem ganz normalen Job in der kurzen Zeit genug Eigenkapital für ein Haus aufzubringen. Und ganz ohne Schulden. Wunderbar. „Meine Schulfreunde erzählten aufregende Geschichten von einem Spiel namens ‚Bigger and Better’“, berichtete MacDonald vor einiger Zeit der Frauenzeitschrift emotion. „Man fängt mit etwas Kleinem an und geht von Tür zu Tür, um es gegen etwas Größeres zu tauschen.“ Einige Gegenstände gewann er dabei richtig lieb, erzählt er. Gleich den ersten: einen Kugelschreiber, der wie ein Fisch aussieht.
Ich habe mal im Internet nach dem Spiel gesucht. Tatsächlich: ein Partyspiel. Gut für die Teambildung. Die Mannschaft mit den tollsten Tauschobjekten hat gewonnen.
Ob sich das Experiment wohl wiederholen lässt?
Dann hätte ich noch die ein oder andere hübsche Büroklammer zu bieten … Oder auch – um etwas höher einzusteigen – eine guterhaltene, etwa drei Zentimeter hohe Maske aus fast schwarzem Holz an einem Lederbändchen. Die habe ich vor ein paar Jahren von der indonesischen Insel Bali mitgebracht. Sehr hübsch. Bisher schaut sie mir beim Arbeiten zu …
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 22.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html
Supertier
die „Deutschland sucht das Supertier“-Saison hat wieder begonnen: „Hochgiftige Minikobra aus Mülheimer Terrarium ausgebüchst“ titelten neulich ungefähr alle Medien. Das übliche: Tagelange Suche mit Feuerwehrstaffel, Wärmekameras und allem Drum und Dran. Plus Rechnung von 100.000 Euro für den Besitzer.
Kommt das Sommerloch dieses Jahr etwa schon früher?
Oder ist das vielleicht nur das in den Redaktionen dieses Landes gefühlte Bedürfnis, bitte mal über etwas anderes als über drohende Staatspleiten, abstürzende Aktienmärkte oder angeblich fremdgehende Staatspräsidenten berichten zu müssen.
Wäre doch möglich.
Eins an der Meldung fand ich jedenfalls gut: dass die Mülheimer Bürger, die Angst vor dem Tier hatten, sich keine Phobie nachzusagen lassen brauchen. Schließlich war das Biest den Berichten zufolge tatsächlich hochgiftig. Anders als die sogar noch mehr als Schlangen gefürchteten Spinnen. Das ist die hierzulande am weitesten verbreitete Phobie – obwohl Sie giftige Spinnenarten vergeblich suchen werden.
Neulich habe ich etwas ganz amüsantes über Spinnen gelesen, in der Frauenzeitschrift myself.
Falls Sie eine Phobie haben, scrollen Sie bitte jetzt weiter nach unten. Da kommt etwas sehr Interessantes über steuerbegünstigte Betriebsveranstaltungen.
Also. Die Überschrift lautete: „Die spinnen, die Spinnen“. Da stand drin, dass Spinnen sich gelegentlich in jumbojetartige Höhen aufschwingen. Auf der Spitze eines Grashalms schaukelnd warten sie auf eine Böe, werfen dann ihr Fädchen in den Wind und lassen sich sanft von ihm hochtragen. Wie gesagt: Bis in mehrere tausend Meter Höhe immerhin. Hätten Sie auch nicht gedacht, oder? Nur wofür das gut sein soll, das stand nicht in dem Artikel drin.
Andererseits auch egal. Mir bringt es die Tierchen jedenfalls gleich näher.
Nicht dass Sie übrigens denken, ich sei völlig angstfrei. Wenn ich eine Kakerlake in geschlossenen Räumen herumkrabbeln sähe, würde ich auch spitz aufkreischen. Das weiß ich seit ich mal ein paar Monate in einem Studentenwohnheim mit leider zuvor nicht erkennbarer Plage gewohnt habe. Gut, selbst der Keller des Weißen Hauses in der US-Hauptstadt Washington soll ja verseucht sein. Seit ich das weiß, muss ich bei den Nachrichten immer daran denken.
Nicht dass es nicht selbst über diese Viecher faszinierende Dinge zu wissen gäbe. Ich habe da mal etwas gelesen – das fand ich allerdings ähnlich unsympathisch wie die Tiere selbst.
Falls Sie das jetzt lieber nicht wissen wollen, scrollen Sie bitte ab hier ein kurzes Stück nach unten …
Also: Woran stirbt eine Kakerlake, wenn Sie ihr den Kopf abtrennen? Sie verhungert. Ja, schlimm – finden Sie nicht auch? Und doch irgendwie faszinierend.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 20.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html
Knöllchensammler
neulich war da mal wieder so eine Meldung, deren Überschrift einen hübschen Skandal versprach. Da stand: „Bürgermeister sammelt Knöllchen aus ganz Europa“.
Ich natürlich sofort reingeklickt. Und gedacht: Führerscheinentzug? Rücktritt?
War aber dann doch ganz anders. Hier ging es nicht um Verfehlungen eines gewählten Repräsentanten. Es ging um ein hübsches – und offenbar in Europa weit verbreitetes – amtliches Missgeschick, von dem das WDR-Studio in Warschau da berichtete.
Konkret ging es in dem Bericht um Piotr Krzystek, Bürgermeister im polnischen Stettin. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Knöllchen aus ganz Europa: Rasen in Deutschland, Stoppschild in Italien, Falschparken in Österreich. All solche Sachen werfen die diversen europäischen Polizeidienststellen ihm vor. Beziehungsweise: den Stettiner Bürgern. Deren Knöllchen landen allesamt bei Krzystek. Dabei verhält sich der arme Mann dem Bericht zufolge im Verkehr untadelig. Der Grund für das Papierbombardement ist einfach: Auf der ersten Seite eines polnischen Kfz-Scheins steht nicht wie sonst weithin üblich der Name des Fahrzeughalters, sondern der Name der ausstellenden Behörde.
Nicht etwa erst seit gestern …
Nein, das ist in Polen schon seit sechs Jahren so – hat sich aber offenbar noch nicht überall herumgesprochen. „Wir haben mehrmals Briefe nach Italien, Österreich und Deutschland geschickt, und darauf hingewiesen, dass wir nur die ausstellende Behörde sind“, erklärt Piotr Gonerko, ein Mitarbeiter der Stettiner Stadtverwaltung. Vergeblich. „Noch in der letzten Woche haben wir wieder eine Zahlungsaufforderung aus Deutschland erhalten.“
„Eine Riesenlachnummer“, findet der Verkehrsexperte Jacek Pok.
Allerdings wohl vor allem eine teure Lachnummer. Schließlich muss jeder Bußgeldbescheid ordnungsgemäß bearbeitet werden: übersetzt, aufgeklärt, beantwortet, abgeheftet. Das übliche Prozedere einer Verwaltung eben. Wie Fahrzeugpapiere auszusehen hätten, solle in der EU endlich einheitlich geregelt werden, fordert Pok daher.
Ob das allerdings vor teuren Fehlern wirklich schützt?
Eine Großfahndung der irischen Polizei weckt daran Zweifel. Die fahndet dem Bericht zufolge fieberhaft nach einem polnischen Autofahrer, der Hunderte Strafzettel nicht bezahlt haben soll.
Der Mann heißt Prawo Jazdy: Führer-Schein …
Jetzt würde mich nur noch interessieren, auf wie vielen offenen Knöllchenrechnungen unsere klammen Kommunen sitzen. Gerichtet an Herrn Permiso de Conducir oder Frau Sürücü Belgesi vielleicht? Vielleicht ließe sich ja das ein oder andere an Gebühren für die Suche einsparen …
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 19.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html
Tipp-Tapp
ist es wohl Zufall oder nicht? Jedenfalls bin ich nun schon zum wiederholten Mal auf Nachrichten über irgendwelche merkwürdigen Tipps gestoßen, die der britische Premierminister Gordon Brown offenbar zu bekommen pflegt.
Ob andere Regierungschefs auch so merkwürdige Ratschläge bekommen?
Oder ob der Gute einfach unkonventionelle Berater hat? Erst diese Geschichte mit den Schminktipps. Vielleicht erinnern Sie sich noch: die hatte ein Mitarbeiter samt Rucksack im Taxi liegen gelassen. Immer schön auf und ab, „wie beim Streichen einer Wand“, hatte der Berater Brown da auf den Spickzettel geschrieben. Damit sollte der sich auf spontane Fernsehauftritte vorbereiten. Und nun dies: „Bis zu neun Bananen täglich essen“. Als Vorbereitung anstehender Wahlen. Das soll dem britischen Premier allerdings Ehefrau Sarah Brown geraten haben …
Ich esse ja auch gern Bananen. Aber gleich neun Stück täglich? Das stelle ich mir schwer verdaulich vor. Mein Stoffwechsel würde wahrscheinlich zum Erliegen kommen … Und mein Appetit wahrscheinlich auch ziemlich schnell.
Möglicherweise ist das ja der Sinn?
Vielleicht rät ihm die Ehefrau ja dazu, weil sie weiß, dass in den Sitzungen Sitzfleisch nötig sein wird. Das bringt ja nicht jeder Regierungschef von Natur aus mit … Und wer zuerst austritt, hat verloren – könnte doch sein …
In dem Artikel des Telegraph über den Bananen-Tipp stand noch drin, die gelbe Frucht solle die drei Kitkat am Tag ersetzen, die Mr. Brown sonst verdrückt. Gut, da hat Frau Brown sicher in jedem Fall recht: da sind die Bananen sicher gesünder.
Ich warte jedenfalls nun auf den Tag, an dem mal wieder irgendeiner von Browns Mitarbeitern Tasche oder Rucksack im Taxi vergisst. Mit Tipps zu korrekter Passform und Anlegen von Thrombosestrümpfe vielleicht? Denn wer nicht mal mehr seinen menschlichen Bedürfnissen nachgeht, der sollte doch wenigstens gesundheitlich vorsorgen. Finden Sie nicht auch? Vielleicht sollten wir das Mr. Brown ja mal ans Herz legen …
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 15.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html
Keynes rappt
da sage noch einer, Ökonomen könnten nicht tanzen …
Seit ein paar Wochen kursiert ein Video bei Youtube – Stichwort: „Fear the boom and bust“ –, das zeigt das Gegenteil. Da rappt der gerade wieder im Trend liegende Ökonom John Maynard Keynes gegen den liberalen Friedrich August von Hayek.
Keynes vertrat ja in der Zeit der Weltwirtschaftskrise die Auffassung, dass der Staat notfalls mit schuldenfinanzierten Ausgaben die Konjunktur wieder in Gang bringen solle – da die Geldpolitik nicht mehr wirke und auch noch so niedrige Zinsen nicht für mehr Investitionen sorgte. Motto: Jede Nachfrage ist gut, egal wer sie bezahlt. Das widersprach der herrschenden Lehre, erwies sich aber als goldrichtig. Keynes ist seither unumgänglicher Lehrbuch-Ökonom. Nach seiner Maxime handeln heute vielleicht mehr Regierungen denn je – obwohl durchaus umstritten ist, dass die Voraussetzungen dafür da sind. Hayek dagegen stammt aus der Zeit vor der Weltwirtschaftskrise. Ein Liberaler. Auch als Anarchokapitalist verrufen. Unter anderem seine Thesen waren es, die sich damals ja als falsch erwiesen hatten.
In dem Video tragen die beiden ihren Kampf im Studio aus.
Wie es sich für ein zünftiges Rap-Video gehört, geht es in einer Stretch-Limo zur Party in der US-Zentralbank Fed, inmitten eines Haufens schöner Frauen. Champagner fließt in Strömen. Alle feiern und tanzen, vor allem Keynes ist gut dabei. Nur Hayek rollt mit den Augen. Man rappt von Bullen und Bären – und guten Gründen die Zyklen zu fürchten. Zinssätze. Zentralbanken. Liquiditätsfalle. Ausgaben. „Sag es laut und sag es stolz: ‚Wir sind alle Keynesianer’“, rappt Keynes. Gesagt hatte das in den 70ern mal Präsident Richard Nixon.
Am nächsten Morgen hat Keynes einen Kater. Und Hayek triumphiert. Keynes mechanistische Herangehensweise an den Markt ignoriere menschliche Aktion und Motivation, rappt Hayek. Und der Credit-Crunch sei keine Liquiditätsfalle, sondern Zeichen für eine abwrackende Wirtschaft – weitere Fehlinvestitionen würden die bloß weiter ruinieren. Und der so genannte Stimulus sei nur wieder mehr von dem, was die Märkte überhaupt in den Zusammenbruch getrieben hätte, rappt Hayek.
„Ich will Märkte steuern“, rappt Keynes. „Ich will sie befreien“, hält Hayek dagegen.
Was am Anfang bloß launig und unterhaltsam wirkt, gerät am Ende zur klaren Stellungnahme: pro Hayek – gegen Keynes und die Stimuluspolitik zahlreicher Regierungen weltweit in seinem Namen.
Das Schlusswort hat denn auch Hayek: „Die kuriose Aufgabe der Ökonomie ist, den Menschen zu zeigen, wie wenig sie über das wissen, was sie gestalten zu können glauben.“ Das zumindest klingt doch mit Blick auf die vielen unverständlichen Finanzkonstrukte und -produkte sehr zeitgemäß.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 13.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html
Irrtümer
neulich habe ich ein kluges Buch über „Wirtschaftsirrtümer“ – so auch der Titel – mal wieder hervorgekramt. Autor Henrik Müller zählt dort sehr schön auf, welche Effekte es hat, wenn sich Erwerbsarbeit nicht mehr so doll lohnt.
Das ärgerlichste an dem als „dreistesten Arbeitslosen Deutschlands“ durch die Talkshows gereichten Arno Dübel finde ich persönlich, dass er sich wohl sogar wirtschaftlich rational verhält. Mit den Jobs, die ihm in Johannes B. Kerners Talkshow angeboten wurden, hätte der Mann sicher kaum mehr heraus als mit Hartz IV – wenn nicht weniger. Und davon, aus Erwerbsarbeit Zufriedenheit zu ziehen, wird er wohl schon zu weit entfernt sein.
Damit wäre arbeiten gehen für ihn irrational.
Der Anreiz, wegen der hohen Belastungen zumindest nicht gar so viel zu arbeiten, wirkt selbst bei Gutverdienern, schreibt Henrik Müller in seinem Buch. Vom abnehmenden Grenznutzen spricht da der Ökonom an sich, vielleicht erinnern Sie sich ja auch. Auch für Gutverdiener ist mehr Freizeit umso attraktiver, je weniger sich Mehrarbeit auszahlt. Klar, keiner von denen geht zum Amt, aber einige schieben vielleicht Sabbaticals ein oder treten aus anderen Gründen freiwillig kürzer. Wie sehr der Gesamtwirtschaft der gebremste Elan gerade bei ihnen schadet, zeigt Müller knapp und plausibel am Beispiel eines Ingenieurs in der Automobilindustrie.
Nicht nur den Ingenieur kostet die – in dem Fall allerdings durch tarifliche Arbeitszeitregelungen erzwungenermaßen – verkürzte Arbeitswoche Produktivität. Er wird in seiner Freizeit nun vielleicht seine Wohnung selbst tapezieren und streichen, den Rasen selbst mähen und wohl auch seltener essen gehen, zählt Müller auf. Nicht amüsiert sind darüber: der Malermeister und das Restaurant an der Ecke. Auch den Sozialkassen und dem Fiskus entgehen Einnahmen, zahlt doch der Ingenieur nun weniger Steuern und Sozialabgaben. Aber nicht nur das. Womöglich müssen sie nun die wegbrechenden Einkünfte von Malermeister und Kellnerin ersetzen – erst die Arbeitsagentur über das reguläre Arbeitslosengeld, dann schlimmstenfalls die ArGen genannten Hartz-IV-Behörden über das ALG II. Schließlich sinken in der Flaute deren Arbeitsmarktchancen.
Wie es bei gesamtwirtschaftlichen Anreizen eben so ist: Es bleibt nicht bei dem einen kürzertretenden Ingenieur.
Irgendwann wird dann vielleicht mal wieder irgendwer ausgraben, was der Ökonom der Weltwirtschaftskrise, John Maynard Keynes, als Ausweg aus der damals grassierenden Massenarbeitslosigkeit vorgeschlagen haben soll: die Keynesschen Löcher. Zur Erhöhung des Wohlstandes soll Lord Keynes ja vorgeschlagen haben, morgens Arbeitslose Löcher ausheben zu lassen, die andere Arbeitslose dann abends wieder zuschütten.
Wenn ich so drüber nachdenke: Vielleicht findet das längst statt? Finanzämter und Politiker graben die Löcher – als Schippchen dienen Sozialabgaben und Steuern. Und die Sozialämter und Arbeitsagenturen füllen die Löcher auf … Zumindest der Verwaltungsapparat bleibt beschäftigt. Was wohl Keynes dazu sagen würde?
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 12.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html
Traumfrau Merkel
neulich hatte ich einen merkwürdigen Traum.
Ich will gerade von einem Kongress nach Hause, da komme ich an einem Tisch mit ein paar Leuten vorbei, die mich erwartungsvoll anschauen. Ich setze mich dazu. Mir gegenüber: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Frau Merkel schiebt Papierstapelchen hin und her – Kassenbons und Steuerunterlagen von mir, soviel ist klar. Sie schaut mich an und sagt: „So geht das nicht: Ihnen bleibt ja fast nichts.“ Und dann: „Es muss etwas geschehen!“ Steht auf und rauscht davon.
Und ich wache auf und denke nur: „Boah. Toll!!“
Ein Wunschtraum: dass sich Arbeit finanziell richtig lohnt. Und für Mehrarbeit auch nach Steuern nennenswert mehr Geld auf dem Konto landet beziehungsweise – für uns Selbstständige: bleibt.
Dass mich solche Dinge aber schon in den Schlaf verfolgen …
Vielleicht liegt es ja daran, dass ich mich bei der Hartz IV-Debatte in den vergangenen Wochen gewundert habe, dass das Thema Steuer- und Abgabenlast so wenig Thema ist. Erwerbstätige bringen es ja nicht nur wegen geringer Gehälter oft auf gerade mal Hartz IV-Niveau – bei einer vierköpfigen Familie ja immerhin 1653 Euro Hartz IV steuerfrei im Monat. Als Paar mit zweimal Kindergeld und zwei Grundfreibeträgen bleibt Ihnen steuerfrei genauso viel, wie einem Hartz IV-Empfänger. Aber um das Geld auch wirklich für sich zu haben, brauchen Sie mindestens 35 Prozent mehr brutto. 20 Prozent für die Sozialabgaben und 15 Prozent für den Eingangssteuersatz.
Wenn Sie davon leben können, also: 2231,55 Euro brutto – oder: 26.778,60 Euro Jahresbruttogehalt. Viele kommen auf weniger.
Dass wegen der Progression hohe Einkommen soviel stärker belastet werden, ist übrigens nur ein frommer Irrglaube. In kaum einem Land zahlen Geringverdiener so hohe Steuern und Abgaben wie in Deutschland, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) in einer Studie ausgerechnet – nur in Belgien. Ein Alleinstehender mit 67 Prozent des deutschen Durchschnittsgehalts – 2008: 44.000 Euro – gibt 47,3 Prozent vom Gehalt in Form von Steuern und Sozialabgaben ab – Alleinerziehende übrigens kaum weniger – ein alleinstehender Durchschnittsverdiener 52 Prozent.
Das ist enorm, finden Sie nicht auch?
Merkwürdig finde ich, dass als Ausweg aus dieser gesellschaftlichen Falle stets und allein höhere Verdienste gefordert werden. So wichtig und richtig das ist – aber wir leben ja nicht in einer Zentralverwaltungswirtschaft. Und unsere Politiker haben auf Löhne und Tarifabschlüsse daher keinen direkten Einfluss – sehr wohl aber auf Steuern und Sozialabgaben. Umso schleierhafter, dass die aus der Debatte ausgeklammert werden, finden Sie nicht auch? Schade, denn so bleibt eine solch wunderbare Ansage wie die von Frau Merkel leider nur: ein schöner Traum …
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 08.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html
Missgeschick
eine ganz besondere Art von Torgefahr lernten vor fast genau 39 Jahren die Spieler und Fans von Borussia Mönchengladbach kennen. Darüber werden sie sich sehr geärgert haben. Kurz vor Spielende brach nämlich an dem Tag im Bökelberg-Stadion ein morsches Tor in sich zusammen. Da sich Ersatz so schnell nicht auftreiben ließ, brach der Schiedsrichter das Spiel ab und wertete es als Sieg für Werder Bremen.
Interessant finde ich an der Geschichte vor allem, dass sich kein Hinweis darauf findet, wie es zu dem Zeitpunkt tatsächlich stand… Wahrscheinlich irgendwas für Gladbach… Selbst wenn nicht – hüllen wir den Mantel des Schweigens darüber.
Missgeschicke sind schließlich kein Grund zur Schadenfreude.
Sehr wohl aber für wissenschaftliches Interesse, jedenfalls geht das Peter J. Bentley so. Er hat ein Buch darüber geschrieben, wie sich Missgeschicke wissenschaftlich erklären lassen, „Der Tag, an dem alles schief ging“. Darin erklärt der auf Computersimulationen spezialisierte Informatiker vom University College London etwa, was passiert, wenn wir versehentlich den MP3-Player durch den Vollwaschgang der Waschmaschine jagen oder wie Diesel im einzelnen auf einen Benzinmotor wirkt.
Besser nicht ausprobieren.
Sein Wissen schützt den Computerwissenschaftler aber wohl selbst nicht vor Missgeschicken, wie er der Zeitschrift GEO erklärte: „Äh … Beinahe im Gegenteil. Mir passieren häufig selbst verschuldete Missgeschicke. Denn ich denke immer, dass ich alles besser weiß, ignoriere deshalb die Bedienungsanleitung und dann … Katastrophe!“, sagt er da.
Vielleicht sollte ich ja doch mal öfter die Bedienungsanleitung lesen…
Immerhin weiß Bentley, warum ihm seine Duschwand aus gehärtetem Glas in der Hand in genau solche winzig kleinen Stückchen explodiert, wie es ihm da wohl mal geschehen ist – dafür gibt es nämlich offenbar einen sehr einleuchtenden wissenschaftlichen Grund.
Wahrscheinlich wäre es auch für uns Normal-Missgeschickler ganz erfrischend, das Buch zu lesen – so kommen wir gar nicht erst auf die Idee, uns zu fragen, warum gerade uns gerade das jetzt wieder passiert ist…
Psychologisch machen wir es uns da übrigens – wie die meisten Menschen – einfach: Passiert das Missgeschick uns selbst, dann gab es dafür sicherlich einen guten, äußeren Grund. Wir waren abgelenkt oder es gingen gleichzeitig Telefon, Haustürklingel und Babygeschrei los. Irgend so etwas eben. Stößt dagegen jemand anderem ein Missgeschick zu – womöglich sogar immer, wenn wir gerade hingucken –, dann glauben viele, es habe etwas über seine Fähigkeiten und Eigenschaften zu sagen. Klarer Fall von was der Psychologe an sich Attribution nennt.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 06.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html
Uhr umstellen
in dem Titelsong der Zeichentrickserie „Der Rosarote Panther“ wurde früher immer gesungen „Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?“
Erinnern Sie sich noch?
Das Lied habe ich kürzlich wieder vor mich hingesummt: Als ich diese Meldung über das Bulletin of Atomic Scientists Board“ (BAS) gelesen habe, Wissenschaftler hätten ihre Uhr – also die berühmte Doomsday Clock – umgestellt. In dem Fall müsste gesungen werden: „Ist es wirklich noch so früh“. Ja, schließlich geht es hier nicht um die Sommerzeit.
Sie merken es, ich fühle mich schon ganz jetlagged…
Obwohl es ja immer nur um eine Stunde geht – nach der Zeitumstellung im Frühjahr fehlt sie mir schon. Deswegen war ich vor vielen Jahren als Jugendliche auch mehr als bereit, auf diesen beliebten Aprilscherz hereinzufallen: dass die Sommerzeit nun endlich abgeschafft werden soll. Habe ich mich gefreut… Die Begründung klang ja auch sehr plausibel: Die Sommerzeit zahle sich schlicht nicht aus. Der Energieverbrauch sinke durch sie nicht, sondern steige. Der technische Aufwand sei zu hoch, und auch der Mensch sei nicht fürs frühere Aufstehen gemacht. Herzinfarktgefahr, Schlafstörungen.
Dass sich der Mensch tatsächlich nicht umstellt, merke ich bei meiner Tochter jedes Jahr. Sie schläft im Sommer später und im Winter früher – stets ungefähr zur selben Zeit, nur nicht zur selben Uhrzeit. Haben die Experten und Gegner der Zeitumstellung also recht. Leider aber eben nicht mit dem, was sie alle Jahre wieder mal am 1. April behaupten: dass die Sommerzeit nun abgeschafft werde.
Darauf warte ich nun schon seit 20 Jahren.
Drücken Sie mal die Daumen… Vielleicht ja dieses Jahr. Nein, ich will Sie jetzt nicht auch noch in den April schicken – auch wenn heute zufällig 1. April ist… Wirklich. Auch nicht mit dieser anderen Nachricht von weiter oben: über die Atomforscher, die ihre Doomsday Clock umgestellt haben. Auch die stimmt. Nach Zeitrechnung der vor allem aus Physikern bestehenden Vereinigung ist es in Sachen Weltuntergang also nicht mehr fünf vor zwölf. Sondern erst sechs vor.
Bei dieser Uhr bedeutet die Zeitumstellung: Die Welt ist vielleicht doch in der Lage, ihre Probleme zu lösen und womöglich doch nicht dem Untergang geweiht. Allerdings ist die Zeitumstellung – also die symbolisch bis zum Weltuntergang gewonnene Zeit – vergleichsweise klein, schrieb das Internetportal „Daily Finance“ kürzlich: eine Minute. Die 1947 gebaute, berühmte Untergangs-Uhr zeige vor allem eins, schrieb Daily Finance: dass der Einfluss großer Staaten nachlasse.
Am optimistischsten waren die Physiker kurz nach Ende des Kalten Krieges. Zwischen 1991 und 1995 stand die Uhr auf 17 Minuten vor zwölf. Richtig schlimm um uns bestellt sahen sie es 1953: Zwei vor zwölf. In der Zeit hatten USA und Sowjetunion Atomraketen getestet und die Wasserstoffbombe gebaut.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 1.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html