Knöllchensammler

neulich war da mal wieder so eine Meldung, deren Überschrift einen hübschen Skandal versprach. Da stand: „Bürgermeister sammelt Knöllchen aus ganz Europa“.

Ich natürlich sofort reingeklickt. Und gedacht: Führerscheinentzug? Rücktritt?

War aber dann doch ganz anders. Hier ging es nicht um Verfehlungen eines gewählten Repräsentanten. Es ging um ein hübsches – und offenbar in Europa weit verbreitetes – amtliches Missgeschick, von dem das WDR-Studio in Warschau da berichtete.

Konkret ging es in dem Bericht um Piotr Krzystek, Bürgermeister im polnischen Stettin. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Knöllchen aus ganz Europa: Rasen in Deutschland, Stoppschild in Italien, Falschparken in Österreich. All solche Sachen werfen die diversen europäischen Polizeidienststellen ihm vor. Beziehungsweise: den Stettiner Bürgern. Deren Knöllchen landen allesamt bei Krzystek. Dabei verhält sich der arme Mann dem Bericht zufolge im Verkehr untadelig. Der Grund für das Papierbombardement ist einfach: Auf der ersten Seite eines polnischen Kfz-Scheins steht nicht wie sonst weithin üblich der Name des Fahrzeughalters, sondern der Name der ausstellenden Behörde.

Nicht etwa erst seit gestern …

Nein, das ist in Polen schon seit sechs Jahren so – hat sich aber offenbar noch nicht überall herumgesprochen. „Wir haben mehrmals Briefe nach Italien, Österreich und Deutschland geschickt, und darauf hingewiesen, dass wir nur die ausstellende Behörde sind“, erklärt Piotr Gonerko, ein Mitarbeiter der Stettiner Stadtverwaltung. Vergeblich. „Noch in der letzten Woche haben wir wieder eine Zahlungsaufforderung aus Deutschland erhalten.“

„Eine Riesenlachnummer“, findet der Verkehrsexperte Jacek Pok.

Allerdings wohl vor allem eine teure Lachnummer. Schließlich muss jeder Bußgeldbescheid ordnungsgemäß bearbeitet werden: übersetzt, aufgeklärt, beantwortet, abgeheftet. Das übliche Prozedere einer Verwaltung eben. Wie Fahrzeugpapiere auszusehen hätten, solle in der EU endlich einheitlich geregelt werden, fordert Pok daher.

Ob das allerdings vor teuren Fehlern wirklich schützt?

Eine Großfahndung der irischen Polizei weckt daran Zweifel. Die fahndet dem Bericht zufolge fieberhaft nach einem polnischen Autofahrer, der Hunderte Strafzettel nicht bezahlt haben soll.

Der Mann heißt Prawo Jazdy: Führer-Schein …

Jetzt würde mich nur noch interessieren, auf wie vielen offenen Knöllchenrechnungen unsere klammen Kommunen sitzen. Gerichtet an Herrn Permiso de Conducir oder Frau Sürücü Belgesi vielleicht? Vielleicht ließe sich ja das ein oder andere an Gebühren für die Suche einsparen …

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 19.04.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html