Gerhard Polt wird heute 70 Jahre alt. Schöne Gelegenheit, ihn in einer bürokratischen Glanzrolle zu zeigen: als Finanzbeamter.
“Als Witzeproduzent kann ich doch nicht das Kaschperle machen.”
“Wäre für uns aber einfacher.” Bitteschön.
Gerhard Polt wird heute 70 Jahre alt. Schöne Gelegenheit, ihn in einer bürokratischen Glanzrolle zu zeigen: als Finanzbeamter.
“Als Witzeproduzent kann ich doch nicht das Kaschperle machen.”
“Wäre für uns aber einfacher.” Bitteschön.
Erinnern Sie sich noch? Als die Krise so richtig in Gang kam, gab es einige – nicht mal dumme oder übertrieben pessimistische – Leute, die befürchteten, wir würden bald alle in unseren Gärten sitzen und Kartoffeln essen.
Wohl dem, der früh genug welche gesät hatte, meinten sie…
Ob es wohl damit zu tun hat, dass die Bundesregierung sich gerade neben der Bankenrettung um das Wohl der Kleingärtner sorgt? Man weiß es nicht so genau. Was man weiß, ist, wie viel der Spaß kostet. Das rechnet der Bund der Steuerzahler in seinem Schwarzbuch 2011 vor: 100.000 Euro.
Vielleicht sollte ich im Nebenjob Studien im Auftrag der Bundesregierung anfertigen?
„Für 100.000 Euro vom Steuerzahler konnte man der Studie dann atemberaubende Erkenntnisse und Empfehlungen entnehmen, z. B. dass der demographische Wandel teilweise zu wachsendem Leerstand führe, was weitreichende Umnutzungskonzepte erfordere. Und dass die ökologischen Potenziale der Kleingärten sowie die Flexibilität der Vereine und Verbände zu stärken seien – bei Sicherstellung sozialverträglicher Kosten der Kleingärtnerei und unter Berücksichtigung neuer Zielgruppen. Ah ja“, ätzt der Bund der Steuerzahler. Und die letzte – wahrscheinlich nicht wesentlich billigere – Studie zum Thema war erst 2008 heraus gekommen.
Muss ja schnelllebig sein, das Geschäft mit Kleingärten.
In Auftrag gegeben hatte die Vorgängerstudie übrigens das Bundesbauministerium. Das kümmert sich dieses Jahr um Leerstände und Handlungsempfehlungen dafür. Der Auftrag geht nach Auskunft des Steuerzahlerbundes an das Institut, das bereits die 2008er Studie verfasst hat. Kostet dafür aber immerhin diesmal nur 55.300 Euro – und damit rund knapp die Hälfte kosten. Der Steuerzahlerbund ist da unbarmherzig: „Das ist überflüssiger Studien-Aktionismus. Um die Kleingärten und das überschaubare Problem von Leerständen kümmern sich genügend Akteure vor Ort nicht nur in den bestehenden Vereins- und Verbandsstrukturen, sondern auch staatlicherseits“, informiert der Steuerzahlerbund. Von den Landesministerien über den Deutschen Städtetag bis hin zur bundesweiten „Gartenamtsleiterkonferenz Arbeitskreis Kleingartenwesen“, zählt der Verband auf.
Gartenzwerge. Ich vermisse eine Studie zu Gartenzwergen vor leerstehenden Mietobjekten.
Mal im Ernst – wenn Steuergeld verpulvert wird, ist das schlimm genug. Und hier geht es auch nicht um Kleckerkram, sondern um Milliarden von den Bürgern erarbeitetes Geld, das die Regierung gedankenlos verpulvert.
Doch wirklich tragisch wird es, wenn der Staat bei seinen eigentlichen Aufgaben passt, beispielsweise beim Schutz der Bürger. Das zeigt der Fall des siebenjährigen Mädchens, das da vor einigen Wochen bereits Opfer eines verurteilten Vergewaltigers geworden ist – einen Monat nachdem der aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Sicherheitsverwahrung auf freien Fuß gesetzt worden war. Kurz nachdem Polizei, Landeskriminalamt und Therapeuten entschieden haben, seine Kontrollen zu lockern.
Die Zeitung Die Welt kommentierte das damals: „Manchmal fragen sich Politiker, warum ihr Tun so wenig geachtet wird. Der Dortmunder Fall bietet eine Antwort. Der Staat, finden die Wähler, soll zuallererst Schutz vor absehbarem Unglück bieten – ganz besonders dann, wenn die Abwendung solchen Unglücks allein in politischer Hand liegt. Im Fall von Triebtätern heißt das, dass die Wähler weder Vertrauensseligkeit noch Experimente wünschen.“
Und weiter: „Die Prioritäten stimmen nicht. Nach der Sommerpause diskutiert der Bundestag über eine “Verhandlungslösung im Nahost-Konflikt”. Sehr schön und sicher wichtig, aber im Nahen Osten hat nicht der Bundestag die Hoheit über das Geschehen. Im Fall deutscher Triebtäter hat er sie.“
Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.
Manchmal sind die Dinge ja komplex. Zuweilen richtig von hinten durch die Brust ins Auge. Zum Beispiel bei der Frage, wer etwas von etwas hat – oder gar: den Sieg, die Oberhand. Den Erfolg.
Sicher auch bei der jüngsten Ankündigung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die Steuern senken zu wollen. Vor wenigen Tagen jagte ein Artikel darüber den nächsten, unter anderem von mir in der Welt am Sonntag. Dass die Sache durchgeht, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Etwas anderes dürfte Schäuble auch kaum erwarten.
Was er von der zum Scheitern verurteilten Ankündigung hat?
Ein Pflästerchen auf die Seelen der hilf- und fassungslosen Zuschauer bei dem 780-Milliarden-Euro-Verschenk-Gesetz, wie es Roland Tichy nannte, Chefredakteur der WirtschaftsWoche? Ein „Ich-geb-Dir“-Trumpf für die Verhandlungen mit den Koalitionspartnern – für die nächste “Gibst-Du-mir”-Debatte? Man weiß es nicht so genau.
Meint aber zu ahnen: Der Minister wird etwas mit seinem Zugeständnis anzufangen wissen. Vielleicht hierbei?
Nichtanwendungserlasse sind so eine Sache. Mit ihnen hebelt die Bundesregierung per Amtserlass unliebsame höchstrichterliche Urteile aus. Diese gelten dann nur noch in dem speziellen Fall. Und für alle, die mit Verweis darauf Einspruch und notfalls Klage erheben.
Sie riechen nach Übervorteilung. Und sind in den vergangenen Jahren oft Anlass für Streit gewesen.
Vor der vergangenen Bundestagswahl versprach denn auch die schwarz-gelbe Regierungskoalition im Koalitionsvertrag, von dieser Praxis Abstand nehmen zu wollen. Gut, was sie gesagt haben, war mal wieder die eine Sache. Was sie seither tun, etwas anderes. Fakt: Schon in den ersten 111 Tagen ihrer Amtzeit zählte der Bund der Steuerzahler drei Nichtanwendungserlasse. „Das dürfte so noch keine Regierung geschafft haben“, schimpfte damals Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler.
Die Regierung lernt offenbar dazu. Oder hat sich mal mit einem Rechtsanwalt unterhalten. Und zeigt nun: Es geht auch anders, wenn auch nicht unbedingt besser: per Gesetzesänderung, ganz einfach. Lästige Diskussionen um Übervorteilung entfallen, schon weil das Parlament hübsch demokratisch eingebunden ist.
Aber die Gesetzesänderung hat auch noch ein paar andere, aus Sicht der Regierung sicher unbestreitbare Vorteile: zum Beispiel den, dass die zuvor höchstrichterlichen – rechtskräftigen – Urteile nun nicht mehr viel wert sind. Schließlich wurden sie ja auf einer anderen Gesetzesgrundlage gesprochen – wenn auch nur formal.
Wie praktisch.
Zum Vergleich: Wer sich in einer ähnlichen Ausgangslage wie der vom BFH beurteilte Fall befand, konnte und kann sich immerhin nach einem Nichtanwendungserlass leicht durchklagen. Nach einer Gesetzesänderung werden die Karten dagegen neu gemischt. Auch dann müssen sich Bürger in ähnlicher Lage selbst hochklagen. Allerdings auf einer neuen Gesetzesgrundlage.
Sie haben also plötzlich kein Urteil mehr, auf das sie verweisen können.
Klar, schließlich gilt ein neues Gesetz. Mehr als durchsichtig allerdings, wenn das praktisch identisch mit der alten Rechtslage ist.
So wie im jüngsten Fall, bei dem die Bundesregierung nach den nun schon halbdutzendfach gesprochenen Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) das Gesetz änderte. Darüber steht heute ein Artikel von mir in der Welt am Sonntag. Bitteschön.
Klagen dürften in dem Fall übrigens beste Chancen haben. Schließlich ändert das neue Gesetz praktisch nichts. Außer der Ausgangslage für potenzielle Kläger.
…dass da ja kürzlich erst noch unverhofft 55 Milliarden Euro aufgetaucht sind.
Dürfte die Lage also noch rosiger aussehen, also vom Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) für das Handelsblatt ausgerechnet.
„Alles in allem dürfte sich das Defizit am Jahresende auf 23 Milliarden Euro belaufen und damit innerhalb eines Jahres fast halbieren“, erkläurt IfW-Finanzexperte Alfred Boss. Und statt der für das kommende Jahr geplanten 27 Milliarden Euro Defizit müsse der Bund mit 16 Milliarden Euro neuen Schulden auskommen, berichtet Handelsblatt Online.
Schade eigentlich, dass das nur die Frage beantwortet, um wie viel wir die Verschuldung steigern – ein bisschen weniger als befürchtet eben. Selbst mit konstant sinkenden Defiziten würde die Staatsverschuldung weiter steigen. Schließlich geht es um die ja gar nicht. Sondern um Rechnungslegung pro Jahr – nicht mal pro Legislaturperiode.
Noch ein klein bisschen stärker werden wir uns dann ausgerechnet im Wahljahr 2013 wieder verschulden, erwartet IfW-Experte Boss. „Grund sind zum einen die geplanten Zahlungen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro an den Euro-Rettungsfonds ESM.“
Wenn das denn mal schon alles gewesen ist, heißt das natürlich. Ach so, und natürlich, wenn nicht der nächste kleine Rechenfehler mal eben 55 Milliarden Euro Miese mehr einbringen.
Der österreichischen Zeitung „Freie Presse“ ist der Schirrmacher-Artikel (Lady Godiva berichtete hier) gleich eine lose Folge von Entgegnungen wert. Andreas Khol, 2002 bis 2006 Erster Präsident des Nationalrats. Bezeichnet sich selbst stolz als (Wert-)Konservativen und war lange Zeit Kolumnist der „Freien Presse“.
Die Marktwirtschaft habe nicht nur die Reichen reicher gemacht, sondern auch die Ärmeren, hält Khol Schirrmacher und Moore entgegen. Der Wohlstand sei heute breiter und internationaler verteilt, als je zuvor. „Was Schirrmacher und Moore zu Recht feststellen, hat mit links und rechts nichts zu tun“, ist er überzeugt. „Es ist der Verzicht darauf, Schuldige zur Rechenschaft zu ziehen“, kritisiert auch Khol. Sehe man von verurteilten Betrügern und Veruntreuern ab, so blieben jene, die das System der Sozialen Marktwirtschaft missbraucht, die Krisen verursacht, ihre Banken an die Wand gefahren haben, bisher ungeschoren, hält Khol fest. „Ebenso Verantwortliche für die Euro-Krise: Wie konnten die Brüsseler Stellen die betrügerischen griechischen Angaben durchlassen?“, fragt er sich. „War da Bestechung im Spiel? Wer hängt den Katzen endlich die Schelle um: den Schuldenmachern in den Euroländern, die sich über die Maastricht-Kriterien straffrei hinwegsetzen können? Wer zieht Gerhard Schröder und Jacques Chirac zur Verantwortung, die durchgesetzt haben, dass die drei Prozent Schuldenbremse im EU-Verfassungsrecht nicht beachtet, der Vertrag ständig gebrochen wird? Wo blieben EU-Kommission, Gerichtshof und Parlament?“
Khol gibt Schirrmacher Recht darin, das Bürgertum, das seine Werte und Lebensvorstellungen von den gierigen Wenigen missbraucht sehe, müsse in sich selbst die Fähigkeit zur Gesellschaftskritik wiederfinden – und so der sozialen Marktwirtschaft und dem Recht zum Durchbruch verhelfen.
Bankenrettungen, Staatenrettungen, Vergemeinschaftung von Verlusten und Lasten auf Kosten vor allem des deutschen Steuerzahlers – und demnächst mit einiger Wahrscheinlichkeit das Ganze von vorn.
So sieht es derzeit aus in Europa. Und das treibt auch so manchen in die Sinnkrise. Besonders tief und – ja: auch verstörend nun: Frank Schirrmacher.
Der für das Feuilleton verantwortliche Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung („Das Methusalem-Komplott) schrieb in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 14.8. einen Artikel über die ernüchterten Konservativen, den faz.net am 15.8. online stellte. „Gerade zeigt sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen“, schreibt Schirrmacher da.
Kronzeuge, an dem Schirrmacher festmacht, wie tief in der Sinnkrise die Konservative steckt, ist der „erzkonservative Charles Moore“, ein Thatcher-Biograph. Schirrmacher zitiert aus einem Artikel Moores in der Zeitung „Daily Telegraph“. „Die Stärke der Analyse der Linken liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern“, zitiert Schirrmacher. Und weiter: „,Globalisierung‘ zum Beispiel sollte ursprünglich nichts anderes bedeuten als weltweiter freier Handel. Jetzt heißt es, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen. Die Banken kommen nur noch ,nach Hause‘, wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unsere Regierungen ihnen neues.“
Schirrmacher kommentiert dies so: „Es gibt Sätze, die sind falsch. Und es gibt Sätze, die sind richtig. Schlimm ist, wenn Sätze, die falsch waren, plötzlich richtig werden. Dann beginnt der Zweifel an der Rationalität des Ganzen.“
Schirrmachers beziehungsweise Moores Befund: Die Gesellschaft werde instrumentalisiert. Verteilt werde von der „aufstiegswilligen Mehrheit“ zu den „gierigen Wenigen“ (Moore). Und konservative Politiker wie die Bundeskanzlerin oder der Bundespräsident und ihre Partei schwiegen dazu, kritisiert Schirrmacher. Ihn macht all dies „in seiner gespenstischen Abgebrühtheit einfach nur noch sprachlos“.
Gespenstisch.
Kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, ist offenbar konsensfähig.
„Welt Online“ berichtet über eine aktuelle Umfrage des Institutes dimap, nach der 66 Prozent der Bundesbürger eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen für richtig halten. Nach Parteien aufgeschlüsselt, sind 72 Prozent der Unionsanhänger dafür und 65 Prozent der SPD-Sympathisanten.
Ganz große Koalition also.
Aber gerade für Geringverdiener wäre es sinnvoller, vor den Steuernachlässen erst einmal die Sozialabgaben herunterzufahren. Schließlich zahlen a) nur die Hälfte der Haushalte überhaupt Steuern. Die andere Hälfte hätte also von den Senkungen nichts.
Aber nicht nur das spricht dafür, sondern auch dass die Sozialabgaben der Höhe nach dem Leistungsprinzip widersprechen. Sie schlagen vom ersten Euro an mit 20,4 Prozent zu. Für Freiberufler wie mich und andere Versicherte der Künstlersozialkasse gilt übrigens theoretisch – und wahrscheinlich auch praktisch – ein Mindestbeitrag von monatlich rund 80 Euro, einkommensunabhängig. Und ab einem Einkommen von 4.800 Euro bzw. 57.600 Euro Jahreseinkommen steigen die Sozialabgaben nicht mehr weiter.
Das Gegenteil von Progression also.
Mit den für kleine und mittlere Einkommen überproportional steigenden Steuertarifen kommt da einiges zusammen.
Halten wir mal fest: Bei den derzeitigen Steuersätzen haben Geringverdiener eine Mindestbelastung von 20,4 Prozent. Ab einem monatlichen Einkommen von knapp 670 Euro aufwärts an (die 8004 Euro Grundfreibetrag pro Person bleiben steuerfrei) kommt mit jedem Euro ein bisschen was an Steuern dazu.
Konkret: Mit 14 Prozent Grenzsteuersatz für jeden zusätzlich verdienten Euro fängt es an – macht zunächst also 21,4 Prozent Gesamtbelastung. Anfangs. Tendenz rasch steigend. Mit 20.000 Euro Einkommen führen Sie laut Grundtabelle für Singles und getrennt Veranlagte schon 34,4 Prozent insgesamt ab – bei 14 Prozent Durchschnitts- und 28 Prozent Grenzsteuersatz.
Warum ich das vorrechne?
Weil heute wieder Steuerzahlergedenktag ist. Seit heute früh arbeiten wir alle auf eigene Rechnung.
Hallo Geld.
Den Gedenktag ruft einmal jährlich der Bund der Steuerzahler aus. Zum Gedenken daran, dass Sie bis zu diesem Tag – 3.36 Uhr, so genau nimmt es der Verband – Ihre gesamten Einkünfte an den Staat abgetreten haben. Dieses Jahr werden es übrigens laut Steuerzahlerbund voraussichtlich 51 Prozent für Steuern und Sozialabgaben sein. Das hat der Steuerzahlerbund anhand der Volkswirtschaftlichen Einkommensbelastungsquote (Summe der Steuern und Abgaben im Verhältnis zum Volkseinkommen) ausgerechnet, teilt er mit. Falls Sie nachrechnen wollen.
Insgesamt setzt sich dem Verband zufolge die Belastung so zusammen:
(Quelle: Bund der Steuerzahler, Prognose für 2011, Summe der Steuern und Abgaben entsprechen 51 Prozent des Volkseinkommens)
Er gibt sich gern knauserig, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Ich wäre ja nicht undankbar, wenn der Staatshaushalt tatsächlich nicht unnötig strapaziert wird, vor allem mit Blick auf meine Kinder.
Wenn es denn mal so wäre.
Ist es aber nicht.
„Die Welt“ rechnet es heute vor: „Schäuble hat die Ausgaben keineswegs gesenkt oder auch nur stabil gehalten, sondern deutlich nach oben korrigiert“, schreibt die Kommentatorin. Statt jeden Euro zweimal umzudrehen, sitze das Geld erstaunlich locker. Milliardenschwere Mehrausgaben für die Energiewende. Subventionen für Elektroautos und Klimahäuser nennt die Zeitung. Und von 2013 an der milliardenschwere Rettungsschirm ESM für EU-Schuldensünder hinzu. „Dann spürt der Steuerzahler, anders als bei den horrenden Beträgen, für die Deutschland schon jetzt haftet und die bislang noch gar nicht im Haushalt auftauchen, die Belastung zumindest zum Teil sofort“, schreibt „Die Welt“.
Die Rechnung geht an den Steuerzahler. Schade eigentlich, dass da mal wieder der Eindruck entsteht, Mehrausgaben und Mehrkosten gingen jederzeit in Ordnung, wenn die Zeche bloß der Steuerzahler zahlt, wogegen Entlastungen für den Steuerzahler geradezu als Zumutung gesehen werden.
Dass die Belange des Steuerzahlers den Herrn Finanzminister nicht gar zu sehr bekümmern, der Eindruck ist ja nicht ganz jung. Immerhin ist Herr Schäuble ja auch schon eine ganze Weile im Geschäft. Ich lese da gerade ein sehr spannendes Buch: „Inside Steuerfahndung“ von Frank Wehrheim aus dem riva Verlag (ISBN 978-3-86883-105-4). Der ehemalige Steuerfahnder hat unter anderem auch in Sachen diverse Parteispendenskandale ermittelt. Jahrelang war er vor allem für das Finanzamt Frankfurt am Main tätig. Aufregende Lektüre. In deren zweitem Teil es eben auch um die ernüchternden Praktiken diverser damaliger Regierungsmitglieder und -parteien geht, von den ausgehenden 70ern bis in die späten 90er hinein.
In dem Sumpf aus Schwarzgeldkonten, Kofferübergaben und sonstigen anonymen Spenden hing ja auch Herr Schäuble mit drin. Schäuble war es, der 2000 eingestand, vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber im 1994 eine Bar-Spende über 100.000 DM für die CDU entgegengenommen zu haben. Übrigens soll Schäuble – der ja immerhin mal Finanzbeamter war – gesagt haben, dass er sich bei der damaligen CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister um eine Quittung für die Spende bemüht habe – nachdem ihm die Ermittlungen gegen Schreiber bekannt geworden sind. Damit nicht irgendwer später „auf dumme Gedanken“ kommen könne.
Stellen Sie sich vor: Der Mann ist gelernter Finanzbeamter.
Gut, es war nicht Schäuble, der sich nicht nur an gar nichts mehr erinnern konnte, sondern auch noch vorgebliche anonyme jüdische Vermächtnisse vorschob und später steif und fest dabei blieb, er habe sein „Ehrenwort“ gegeben, die Identität der Spender nicht zu verraten.
Versuchen Sie mal, sich gegenüber Ihrem Finanzbeamten mit Erinnerungslücken herauszureden, wenn der Sie auf eine nicht verbuchte Einnahme anspricht. Sehen Sie…
Er wird es nicht mögen, der Bundesfinanzminister, aber sie ist nun mal in der Welt: die Fernsehaufzeichnung von der Pressekonferenz zum Amtsantritt seiner Regierung, in der ein niederländischer Journalist von der Zeitung „De Telegraaf“ aus Amsterdam die Bundeskanzlerin auf Schäubles Rolle in der CDU-Spendenaffäre ansprach. Warum sie ihm das Finanzministerium anvertraue. Und gleich im Anschluss, was Schäuble selbst dazu sagte, als Moderatorin Maybritt Illner ihn auf den Vorfall ansprach.
Wehrheim, aber sicher auch viele andere Steuerfahnder – immerhin zumeist treue Staatsdiener – hat das ganze offenbar verbittert. „>>Erst die Partei, dann das Land<<, schien das gängige Leitmotiv in unserer Politik zu sein.“ Und weiter schreibt Wehrheim: „Als ehemaliger Steuerfahnder wüsste ich zu gerne, wo die Million heute liegt.“ (die Rede war an der Stelle gerade von der Million, die der vormalige CDU Schatzmeister Walter Leisler-Kiep mal an die CDU erstattete mit dem Hinweis, er habe sie auf seinem privaten Konto „gefunden“ und könne sich nicht erklären, wo sie herkomme. (Waren noch mehr Milliönchen, nur nebenbei.) Außerdem fragt sich Wehrheim, ob das Geld und die Zinserträge auch versteuert wurden. „Ich würde es mir in unser aller Sinne wünschen…“, schließt er.
Dem kann ich mich nur herzlich anschließen.
Tipp: In dem Buch geht es aber nicht nur um Parteispendenskandale, sondern um Steuerstraftaten jeder Art. Begangen von Groß und Klein, um es mal so auszudrücken. Spannend wie ein Krimi: Frank Wehrheim: „Inside Steuerfahndung“, riva Verlag, ISBN: 978-86883-105-4, Preis: 19,99 Euro (und elektronisch für Kindle: 14,99 Euro). Viel Vergnügen.
Er ist wieder da, der Heidelberger Professor. So betitelte Altbundeskanzler Gerhard Schröder Paul Kirchhof einmal zu Wahlkampfzeiten. Und er hat sein Steuermodell der 25 Prozent auf alles noch ein wenig verfeinert. Die 33.000 Paragraphen des deutschen Steuerrechts will er auf 146 zusammenschnurren lassen, hat die Süddeutsche Zeitung ausgerechnet.
Für Kirchhof hat die Frage, wie der Bürger besteuert wird, viel mit der Frage nach der Würde des Menschen zu tun. Die Steuer hat Kirchhof vor ein paar Jahren in seinem Buch „Der Weg zu einem neuen Steuerrecht“ bezeichnet als: „Ausdruck der jeweiligen Freiheitskultur: Sie belässt das Wirtschaftsleben in privater Hand, vertraut auf die freiheitlichen Initiativen der Menschen und zieht sich darauf zurück, einen maßvollen Teil des erzielten Privateinkommens und der eingesetzten Kaufkraft für den Staat zu beanspruchen. Die Steuer fordert Zahlungen, nicht aber Hand- und Spanndienste, Lehens- und Treueverhältnisse“, so stellt es sich Kirchhof vor.
Wenn das Steuerrecht dem Staat Herrschaft nicht nur über Geld, sondern auch über die Verhaltensfreiheit des Steuerpflichtigen vermittelt, entfernt es sich von der ursprünglichen Idee des Steuerstaates“, bemängelt Kirchhof. Schließlich waren es die „Feudalzeiten des Mittelalters“, in denen Könige und Fürsten als Besitzer von großen Ländereien auch Herrschaft über die dort wohnenden Menschen gewonnen hätten. Kirchhof fordert: „Wer sein Verhalten an staatlichen Investitions- oder Umweltschutzprogrammen ausrichtet, wird für diese Staatstreue nicht steuerlich belohnt, wer im Rahmen der Gesetze eigene Wege geht, nicht steuerlich benachteiligt.“
Schön wär’s.
Kirchhof ist eben ein Romantiker. Nein, ich denke jetzt nicht an Abendessen bei Kerzenschein oder Hochzeit in weiß, sondern an die Verve, Werte und Überzeugungen noch einzufordern. Idealismus, selbst im Steuerrecht. Als ehemaliger Verfassungsrichter nimmt Kirchhof verfassungsrechtliche Werte und Regeln noch beim Wort.
Ob es die von vielen im Steuerrecht ersehnte Bewegung ins Spiel bringen wird – viele halten das ja für sehr unwahrscheinlich. Mag sein, dafür sprechen die vielen Lobbyverflechtungen zu Leuten, denen Kirchhofs Ideen mächtig gegen den Strich gehen werden. In jedem Fall kann es die Debatte darüber, wem was bleibt und warum nur beflügeln. Und das könnte sich noch als eine Menge wert erweisen. Wer weiß. Wer es nicht versucht, hat jedenfalls erfahrungsgemäß schon gleich verloren.