Peitschen-Peer

Steuern und Subventionen sind eine hochemotionale Angelegenheit. Sieht jedenfalls gerade ganz so aus, finden Sie nicht? Da steht „Der hässliche Deutsche“ auf der Titelseite eines Schweizer Magazins. Daneben Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, wie er unter gerunzelten Brauen hervorblickt, die Lippen fest zusammengepresst.

Was geschehen ist? Steinbrück hatte die angedrohte schwarze Liste der Steuersünderstaaten mit der siebten Kavallerie vor Yuma verglichen – die sorgte seinerzeit unter Indianern für ein Massaker sondergleichen. Man müsse sie ja nicht unbedingt ausreiten lassen, schob Steinbrück nach – wahrscheinlich, ich kann da nur mutmaßen –, im Versuch, es nicht ganz so unversöhnlich klingen zu lassen: „Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.“ Sie, also die Kavallerie.

Von den Indianern von jenseits der Alpen her johlt es seither zurück: „Steuerwüstenminister“, „ungehobelter Kerl“. Er ist eben derzeit einer der „meistgehassten Menschen in der Schweiz“, unser Finanzminister. Der lässt nun seinen Sprecher Torsten Albig ran. „Wir nehmen zur Kenntnis, dass selbst schlichte Bilder bei Ihnen sehr sensibel wahrgenommen werden“, erklärte der vielsagend. Und ließ wissen, die Eidgenossen hätten in der Kritik an seinem Chef jedes Maß verloren.

„Holla die Waldfee“, wird sich da der deutsche Botschafter denken. Ansonsten einen eher beschaulichen Job gewöhnt, wurde er nun schon zum zweiten Mal binnen eines halben Jahres ins Schweizer Außenministerium zitiert, um sich für „Peitschen-Peer“ zu rechtfertigen. So heißt Steinbrück bei den Eidgenossen, seit er im Oktober damit drohte, Deutschland dürfe im Umgang mit Staaten, die Steuersünder schützen, nicht nur mit dem Zuckerbrot winken, sondern müsse auch die Peitsche schwenken. Der traditionell so beschauliche Job des Deutschen Botschafters in der Schweiz, er ist ungemütlich geworden.
Ungemütlich stelle ich mir auch vor, was Türsteher einem Bericht der tagesthemen von vor einigen Tagen zufolge derzeit in hippen New Yorker Clubs tun: Nicht Leute ausschließen, sondern einschließen. Ja, man glaubt es kaum. Aber so wurde es berichtet: Die Türsteher standen im Innern und versperrten den Ausgang.

Anlass für den Bericht war die Beobachtung, wie in der Krise derzeit in New York die Nicht-Jobs aus dem Boden schießen – also echte, offenbar durchaus entgoltene Unsinnsaufgaben. Nicht die normalen, irgendwie ehrenwerte Jobs wie Tüteneinpacken oder putzen etwa. Nein: Autos in Parkhäusern ein- und auswinken oder Wasserhähne in Nobelrestauranttoiletten für die Gäste aufdrehen. Oder eben Clubs vor dem Sich-Leeren schützen. Gut, die ebenfalls beobachteten Schlangensteher am Broadway werden heute weniger zu tun haben, als zuvor. Nehme ich jedenfalls an.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 20.03.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

Insolvenz

Worte sind alles andere als Schall und Rauch. Im Gegenteil. Sie haben sogar bisweilen etwas Beschwörendes. Das zeigt sich gerade bei Opel und dem Wort Insolvenz.
Die Insolvenz ist hierzulande ein Tabu. Dass ein Unternehmen pleite gehen kann, darüber spricht man in etwa so gern wie über den Tod.

Wenn das nun bloß eine harmlose nationale Marotte wäre, wäre es ja in Ordnung. Aber leider ist das nicht so. Es hat handfeste Folgen: Unternehmer, die hierzulande in die Insolvenz gehen, können wirtschaftlich tatsächlich kaum näher am Tod sein – ihnen ist es danach fast unmöglich, je wieder Geldgeber für ein neues Unternehmen zu finden. Anders als etwa in den USA, wo die Devise lautet: Aufstehen und weitermachen. Diese Haltung finde ich sinnvoller. Immerhin sind Unternehmer mit Scheiternserfahrung in der Regel besonders gut gewappnet gegen einen der häufigsten Insolvenzverursacher: Managementfehler.

Doch die Wirtschafts- und Fehlerkultur ist hierzulande eben eine andere. Und so wirkt denn auch wie ein Affront, was Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem in die Schieflage geratenen Autobauer Opel vorschlägt: Opel solle doch darüber nachdenken, Insolvenz anzumelden, rät Schäuble. Ein Insolvenzverfahren habe viele Vorteile, pflichtet Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei.

Opel und die IG Metall lehnen die Idee – wenig überraschend – schlicht ab, und auch Opel-Mutter General Motors spricht sich gegen eine mögliche Insolvenz aus. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch, Partei- beziehungsweise Fraktionskollege von der CDU, mault „Wer ständig darüber schwadroniert, zerstört das Vertrauen von Kunden und Lieferanten und redet eine Insolvenz herbei.“ SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nennt das Insolvenzszenario „unverantwortlich“.

Dabei stimmt wohl, was Schäuble und zu Guttenberg sagen: dass eine Insolvenz ihre Vorteile hat – auch wenn das hierzulande unpopulär ist. Das deutsche Insolvenzrecht ist seit der Reform vor einem Jahrzehnt darauf ausgelegt, ein Unternehmen wenn möglich zu erhalten. Das Verfahren dient gerade nicht mehr dazu, ein Unternehmen, wie früher üblich, abzuwickeln und die Reste zu verwerten. Vielmehr soll der Betrieb wenn irgend möglich, weitergehen – geschützt vor den Gläubigerforderungen.

Zugegeben – es hängt stark vom Insolvenzverwalter ab, was draus wird. Das ist ein echtes Manko des deutschen Insolvenzrechts. Aber dass die Insolvenz nicht das Ende ist, zeigen Autozulieferer wie Tedrive oder TMD Friction, die trotz Insolvenz weiterwerkeln können. Und dass auch die Sanierung in der Insolvenz gelingen kann, zeigt die Pleite des Baukonzerns Philip Holzmann vor ein paar Jahren: der Insolvenzverwalter erklärte kürzlich, 80 Prozent der inländischen Arbeitsplätze seien erhalten geblieben. An die Gläubiger zahlt er derzeit die ersten Abschlagszahlungen. Die Angst vor der Katastrophe war damals ähnlich groß wie die Bedenken heute.

Noch steht Opel derzeit eher der Sinn danach, sich mit drei bis vier Milliarden Euro von der Bundesregierung retten zu lassen. Einem Bericht zufolge malt der Autobauer drei geschlossene Werke und 11.000 Arbeitsplätze weniger an die Wand, wenn die Regierung nicht finanziell einspringe.

Eine Drohung, die im übrigen nur funktioniert, weil die Insolvenz ein solches Schreckgespenst ist. Schließlich käme ein Verlust von tausenden Arbeitsplätzen im Wahljahr wohl keiner Partei gelegen. Dem Autobauer wird es wohl trotzdem nicht gelingen, der Regierung die benötigte Finanzspritze aus den Rippen zu leiern. Schließlich ist Opel zwar ein wichtiger Arbeitgeber und damit Wirtschaftsfaktor, aber nicht für die Stabilität des Wirtschafts- oder Finanzmarktsystems als solchem von Nöten.

Glücklicherweise arbeitet Opel noch auf eine der Alternativen zwischen hopp oder topp hin: 3500 Arbeitsplätze weniger, erkauft mit Lohnverzicht der Mitarbeiter und sicher auch noch der ein oder anderen weiteren Sanierungsmaßnahme. So wie viele tausend Unternehmen hierzulande derzeit, die ebenfalls versuchen, mit diversen Spar- und Restrukturierungsmaßnahmen Kündigungen zu vermeiden oder wenigstens zu verzögern – vielleicht ja auch Ihr Unternehmen. Das ist wiederum legitim und sinnvoll. Wenn auch zugegebenermaßen nicht immer schön.

Vor kurzem ist mir in dem Zusammenhang ein Freudscher Dreher unterlaufen. Da habe ich in einem Artikel über Kurzarbeit als zwei mögliche Maßnahmen von Unternehmen, Kündigungen zu umgehen, aufgeführt: Kurzurlaub und Zwangsarbeit.
Es hätte natürlich heißen müssen: Kurzarbeit und Zwangsurlaub.
War ich war froh, dass ich den Fehler rechtzeitig bemerkt habe…

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 10.03.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html

Abwrackprämie

fangen Sie schon mal an zu horten. Ich persönlich werfe längst nichts mehr weg. Vielleicht kann ich ja eine Abwrackprämie dafür kassieren.

Das glauben Sie nicht? Wieso, könnte doch gut sein.

Die Abwrackprämie für Autos kommt jedenfalls super bei den Leuten an. Da prämiert der Handel nun offensichtlich die Vorschläge seiner Mitarbeiter, was sonst noch alles abwrackprämienwert wäre. Und da gibt es richtig gute Ideen.

Alte Kühlschränke und Fernseher brachten vor ein paar Wochen bei einer großen Elektronikhandelskette Geld ein. Und nun alte Koffer. Ob es wohl auch mein alter Reiserucksack tun würde? Oder die schon leicht schrottige Reisetasche? Weil, sonst müsste ich mir nämlich überlegen, ob sich das Abwracken wirklich lohnt. Denn die 150 Euro Kofferabwrackprämie müsste ich in einen neuen Koffer investieren, um die Reise für 2500 Euro antreten zu können, für deren Buchung ich das Geld bei einem Iserlohner Reisebüro bekäme. Darüber muss ich noch mal nachdenken.

Begutachte ich doch mal meine geliebte Schuhsammlung. Immerhin bringen auch Schuhe und Stiefel bei der ein oder anderen Schuhhandelskette – ja genau: Abwrackprämien.

Richtig viel Geld hätte ich wohl nebenher einnehmen können, wenn ich nicht schon vor drei Wochen mal wieder ausgemistet hätte. Da habe ich gut und gerne ein halbes Dutzend Tüten im Altkleidercontainer versenkt.

Hätte ich das mal bloß nicht gemacht!!

Dann hätte ich jetzt sicherlich eine Stange Geld an Kleiderabwrackprämie bei einer bekannten Modemarktkette verdient. Dafür hätte ich die Säcke nicht mal selbst in die Stadt schleifen müssen. Ich hätte sie so sogar online zum Abholen anmelden können und dafür meinen Abwrackprämiengutschein gleich ausdrucken können, um unbeschwert loszuziehen.

Schon toll, was die Konjunktur so alles ankurbelt, finden Sie nicht?

Gut, bei der Abwrackprämie für Autos gilt der wirtschaftliche Erfolg als bescheiden.

Klar, wenn vor allem ausländische Kleinwagenhersteller davon profitieren.

Aber vielleicht ist es ja nicht schlecht, beizeiten sein Geschäft um lohnenswertere Aktivitäten anzureichern. In der Entsorgungswirtschaft mit ihren üppigen Gewinnen findet sich sicher die ein oder andere Nische – das wäre doch vielleicht für das ein oder andere Handelsunternehmen bei den hierzulande hauchzarten Margen auch langfristig eine gute Verdienstmöglichkeit. Meinen Sie nicht?

Vielleicht würde das ja die ein oder andere Gesellschaft vor der drohenden Insolvenz bewahren. Die Insolvenzgeldumlage zahlen Sie dieses Jahr übrigens gleich doppelt. Warum und worauf Sie seit Jahresbeginn achten sollten, erfahren Sie in dieser Newsletterausgabe.
Ich harre jetzt der Abwrackprämie für Kaffeemaschinen und Wasserkocher – beide haben vor wenigen Tagen praktisch zeitgleich den Geist aufgegeben. In ausreichender Stückzahl halte ich auch angebrochene Cremes und Shampooflaschen vor. Man weiß ja nie. Und für den Fall dass mir demnächst mein Lieblings-Zeitungskiosk eine Altpapierabwrackprämie zahlt, lagere ich zur Freude unseres Hausmeisters vorsichtshalber schon mal ein paar Stapel und Tüten vor der Wohnungstür.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 17.02.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html