Insolvenz

Worte sind alles andere als Schall und Rauch. Im Gegenteil. Sie haben sogar bisweilen etwas Beschwörendes. Das zeigt sich gerade bei Opel und dem Wort Insolvenz.
Die Insolvenz ist hierzulande ein Tabu. Dass ein Unternehmen pleite gehen kann, darüber spricht man in etwa so gern wie über den Tod.

Wenn das nun bloß eine harmlose nationale Marotte wäre, wäre es ja in Ordnung. Aber leider ist das nicht so. Es hat handfeste Folgen: Unternehmer, die hierzulande in die Insolvenz gehen, können wirtschaftlich tatsächlich kaum näher am Tod sein – ihnen ist es danach fast unmöglich, je wieder Geldgeber für ein neues Unternehmen zu finden. Anders als etwa in den USA, wo die Devise lautet: Aufstehen und weitermachen. Diese Haltung finde ich sinnvoller. Immerhin sind Unternehmer mit Scheiternserfahrung in der Regel besonders gut gewappnet gegen einen der häufigsten Insolvenzverursacher: Managementfehler.

Doch die Wirtschafts- und Fehlerkultur ist hierzulande eben eine andere. Und so wirkt denn auch wie ein Affront, was Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem in die Schieflage geratenen Autobauer Opel vorschlägt: Opel solle doch darüber nachdenken, Insolvenz anzumelden, rät Schäuble. Ein Insolvenzverfahren habe viele Vorteile, pflichtet Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei.

Opel und die IG Metall lehnen die Idee – wenig überraschend – schlicht ab, und auch Opel-Mutter General Motors spricht sich gegen eine mögliche Insolvenz aus. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch, Partei- beziehungsweise Fraktionskollege von der CDU, mault „Wer ständig darüber schwadroniert, zerstört das Vertrauen von Kunden und Lieferanten und redet eine Insolvenz herbei.“ SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nennt das Insolvenzszenario „unverantwortlich“.

Dabei stimmt wohl, was Schäuble und zu Guttenberg sagen: dass eine Insolvenz ihre Vorteile hat – auch wenn das hierzulande unpopulär ist. Das deutsche Insolvenzrecht ist seit der Reform vor einem Jahrzehnt darauf ausgelegt, ein Unternehmen wenn möglich zu erhalten. Das Verfahren dient gerade nicht mehr dazu, ein Unternehmen, wie früher üblich, abzuwickeln und die Reste zu verwerten. Vielmehr soll der Betrieb wenn irgend möglich, weitergehen – geschützt vor den Gläubigerforderungen.

Zugegeben – es hängt stark vom Insolvenzverwalter ab, was draus wird. Das ist ein echtes Manko des deutschen Insolvenzrechts. Aber dass die Insolvenz nicht das Ende ist, zeigen Autozulieferer wie Tedrive oder TMD Friction, die trotz Insolvenz weiterwerkeln können. Und dass auch die Sanierung in der Insolvenz gelingen kann, zeigt die Pleite des Baukonzerns Philip Holzmann vor ein paar Jahren: der Insolvenzverwalter erklärte kürzlich, 80 Prozent der inländischen Arbeitsplätze seien erhalten geblieben. An die Gläubiger zahlt er derzeit die ersten Abschlagszahlungen. Die Angst vor der Katastrophe war damals ähnlich groß wie die Bedenken heute.

Noch steht Opel derzeit eher der Sinn danach, sich mit drei bis vier Milliarden Euro von der Bundesregierung retten zu lassen. Einem Bericht zufolge malt der Autobauer drei geschlossene Werke und 11.000 Arbeitsplätze weniger an die Wand, wenn die Regierung nicht finanziell einspringe.

Eine Drohung, die im übrigen nur funktioniert, weil die Insolvenz ein solches Schreckgespenst ist. Schließlich käme ein Verlust von tausenden Arbeitsplätzen im Wahljahr wohl keiner Partei gelegen. Dem Autobauer wird es wohl trotzdem nicht gelingen, der Regierung die benötigte Finanzspritze aus den Rippen zu leiern. Schließlich ist Opel zwar ein wichtiger Arbeitgeber und damit Wirtschaftsfaktor, aber nicht für die Stabilität des Wirtschafts- oder Finanzmarktsystems als solchem von Nöten.

Glücklicherweise arbeitet Opel noch auf eine der Alternativen zwischen hopp oder topp hin: 3500 Arbeitsplätze weniger, erkauft mit Lohnverzicht der Mitarbeiter und sicher auch noch der ein oder anderen weiteren Sanierungsmaßnahme. So wie viele tausend Unternehmen hierzulande derzeit, die ebenfalls versuchen, mit diversen Spar- und Restrukturierungsmaßnahmen Kündigungen zu vermeiden oder wenigstens zu verzögern – vielleicht ja auch Ihr Unternehmen. Das ist wiederum legitim und sinnvoll. Wenn auch zugegebenermaßen nicht immer schön.

Vor kurzem ist mir in dem Zusammenhang ein Freudscher Dreher unterlaufen. Da habe ich in einem Artikel über Kurzarbeit als zwei mögliche Maßnahmen von Unternehmen, Kündigungen zu umgehen, aufgeführt: Kurzurlaub und Zwangsarbeit.
Es hätte natürlich heißen müssen: Kurzarbeit und Zwangsurlaub.
War ich war froh, dass ich den Fehler rechtzeitig bemerkt habe…

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 10.03.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html