Liebe Leserin, lieber Leser,
neulich war Uwe Seeler zu Gast in einer dieser Freitagabend-Talkshows beim NDR-Fernsehen. Es ging um Fußball, klar. Und dann sagte Uwe Seeler: „Ich verstehe ja nichts von Fußball, deswegen kann ich ihn auch erklären.“ Und lächelte.
Ich fand ihn sofort sehr sympathisch.
Als ich noch ein Kind war, habe ich mal ein Buch meines zweieinhalb Jahre jüngeren Bruders gelesen: „Manni, der Libero“. Ich habe immer schon gelesen, was nicht bei drei auf dem Baum war. Eben auch das. Darin geht es um den Jungstraum schlechthin: Profi-Fußballer zu werden. Und wie alle kleinen Fußballfans – zumindest damals, wahrscheinlich noch heute – betete Manni Uwe Seeler an. In dem Buch war Uwe Seeler ein Gott.
Ich glaube, Manni trifft ihn darin sogar mal leibhaftig, aber ganz sicher bin ich mir jetzt nicht. Jedenfalls gelingt es ihm, sich in die Jugendnationalmannschaft hochzuspielen. Und dabei einiges über den Ernst des Profi-Spielerlebens und Geld als Anreiz für sportliche Leistung zu lernen. In dem Buch geht es viel um Idealismus und die Freude am Sport. Da hat sich Manni unter den vielen großen deutschen Fußballern ein sehr gutes Vorbild ausgesucht, finde ich.
Nicht nur, dass Uwe Seeler ein waschechter Torjäger war („Wir Deutschen haben die Eigenschaft, wenn wir das Eckige sehen, den Ball auch reinzumachen …“). Er wirkt auch wie der freundliche, lustige Nachbar, dem man vor dem Urlaub gern die Schlüssel für den Briefkasten in die Hand drückt.
Und er vollbringt Großtaten, die in dem Metier – wenn nicht gar überhaupt – nicht selbstverständlich sind. So setzt sich der legendäre Stürmer, der zeitlebens für den HSV gespielt hat und für seine Fallrückzieher berüchtigt war, für dessen Erzkonkurrenten in Hamburg ein: St. Pauli. Es gibt Fotos, auf denen sich ein breit lächelnder Uwe Seeler neben dem Pauli-Präsidium ein „Retter“-T-Shirt vor den Bauch hält.
Uwe Seeler hat sich schon hingestellt und eigenhändig Dauerkarten für Pauli verkauft …
Konkurrenz belebe den Sport, begründete er seine Entwicklungshilfe für den wirtschaftlich oft prekär dastehenden Konkurrenten. Und gab dann wieder den strahlenden Herrn Harmlos.
Der ehemalige Redakteur des St.Pauli-Fanmagazins „Der Übersteiger“, Mike Glindmeier, berichtet in der Rubrik „einestages“ bei Spiegel Online, wie er Uwe Seeler 1997 um ein Interview bat. Seeler sollte Einschätzungen zu den Nationalmannschaften abgeben, die im Jahr darauf bei der WM in Frankreich antreten sollten – für ein Sonderheft des Fanzines. Die Idee für das Interview bezeichnet Glindmeier als Schnapsidee in bierseliger Runde. Und Uwe Seeler? Sagte sofort zu und antwortete geduldig und freundlich. Beim anschließenden Fotoshooting machte er jeden Spaß mit.
„In der Schule mied man die Anhänger vom anderen Verein, wenn man sie nicht gerade beschimpfte“, schreibt der Pauli-Fanmagazinredakteur. „Jetzt stand ich also hier und knipste den größten HSVler aller Zeiten mit unserem St.Pauli-Magazin in der Hand. Unglaublich.“ Seeler ließ sich sogar mit einem Pauli-Trikot fotografieren. In der Talkshow erklärte er, er sei der wohl einzige HSVler, der im Pauli-Stadion gern gesehen werde. Wo wäre er das nicht?
© Midia Nuri
Editorial: erschienen im Newsletter Steuern und Bilanzierung von BWRMed!a am 24. Juni 2010