Virtuelle Pleitestaaten

Bank pleite? Geld weg? Wen kümmert es? Kein Rettungsfonds. Keine Entschädigungsleistung für geprellte Anleger.

Und alle wollen hin.

Ist das zu verstehen? Gut, vielleicht nicht alle – aber immerhin mehr als 300 Millionen Menschen weltweit, im Schnitt mehr als 50.000 von ihnen gleichzeitig. Mit ihren virtuellen Raumschiffen machen sie sich auf in ferne Galaxien. Um Unternehmen, Banken und Medien zu gründen und Waren und Rohstoffe zu handeln.

Die Devise: Heißa hopsa – wir fahren möglichst rasant an die Wand.

So sieht es jedenfalls aus. Die erste Bank verzockte alles Geld per Schneeballsystem. Das geht schnell. Die zweite Bank rafften technische Probleme dahin. Bank Nummer drei ging zugrunde, weil ihre Manager das Spielgeld bei ebay versteigerten.

Gegen Geld aus der wirklichen Welt, versteht sich.

Wenn das mal keine Isländer waren. Die könnten Devisen derzeit gut gebrauchen. Sind doch seit der Staatspleite und dem anschließenden Sturz der isländischen Krone immerhin 28.000 Haushalte überverschuldet – ein guter Teil der insgesamt nur 300.000 Isländer insgesamt. Und immerhin waren es Isländer, die die virtuelle Wirtschaftswelt erfunden haben: CCP, die derzeit erfolgreichste isländische Firma. Äh…: einzige erfolgreiche isländische Firma. Zumindest einzige isländische Firma, die ihre Mitarbeitern in Euro bezahlt, berichtet „Die Zeit“.

„Hätten wir doch mehr Unternehmen wie CCP“, seufzt derzeit mancher Isländer.

Immerhin. Ein Schaden wie im wirklichen Island von 4,4 Milliarden Euro bei der Bank Kaupthing würde bei Eve Online kaum auflaufen. „Im Gegensatz zu realen Regierungen erlauben wir Banken einfach nicht, so groß zu werden, dass wir sie nicht mehr scheitern lassen können“, sagt CCP-Chef Hilmar Péturson.

Immerhin weiß auch jeder, dass sein Geld bei einer Bankenpleite futsch ist.

Und wenn mal wieder Rohstoff-Oligarchen bei Eve Online die Märkte abzocken, werden die Ressourcen einfach neu verteilt. Beim nächsten Update Dominion, im Winter. Braucht nicht mal ein Gesetz. „Ein Spiel muss aufregend sein, deswegen muss seine Wirtschaft auch Krisen durchmachen“, sagt CCP-Chef Hilmar Péturson. Reale Volkswirtschaften hingegen sollten so langweilig wie möglich sein. Den Wunsch kann ich Péturson nachfühlen, Sie bestimmt auch. Und falls Sie auch gern vor dem Computer sitzen und zocken, dann kennen Sie das ja: Man kommt einfach nicht mehr zum Blinzeln, wenn es spannend ist.

Macht rote, brennende Augen.

Vielleicht bald nicht mehr. Denn auch für dieses technische Problem gibt es nun eine technische Lösung. Die neue Brille des japanischen Optik-Hersteller Masunaga. Die werden Sie nicht mögen, aber sie wird Ihnen helfen. Vergessen Sie nämlich mal wieder das Blinzeln, wird das Brillenglas trübe. Bis Sie Ihre Augen wieder geschlossen haben. Das müssen Sie mit den Gläsern alle fünf Sekunden.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 17.02.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html