Truthahn

erinnern Sie sich noch an Dustin? Dustin, den Truthahn?

Der sollte vergangenes Jahr für Irland beim Grand Prix d’Eurovision antreten. Was das Vieh darbot, könnte von Helge Schneider sein: „Schüttel deine Federn und knalle mit dem Schnabel, schüttel sie nach Westen und Osten, winke die Euro-Hände und die Euro-Füße, wackel zu dem Truthahn-Beat.“

An Dustin musste ich denken, als ich vor ein paar Tagen im Fernsehen gesehen habe, wie US-Präsident Barack Obama zu Thanksgiving den Truthahn „Courage“ begnadigte. Die Töchter Malia und Sasha sollen den Präsidenten gerade so davor bewahrt haben, beim Anblick des mit 18 Kilo sehr ansehnlichen Tiers doch noch mit dieser mitfühlenden Tradition zu brechen.

Immerhin: Der Tradition dient Courage auch heilen Federkleids.

Statt gegessen zu werden, führen die traditionell jährlich freigesprochenen Federviecher als Ehrenmarschall die Parade der Truthähne in Disneyland an. Wissen Sie, was passiert, wenn Sie einem Truthahn den Spiegel vorhalten? Solche Späßchen erlauben sich orientalische Truthahnhalter zuweilen gern. Ein Spaß für die ganze Familie. Das Tier rennt hinter dem Spiegel her und wird zusehends aufgeregter. Irgendwann fängt es an zu gackern. So: „Ülülülül…“ Gelegentlich dreht das Federvieh scheinbar beleidigt ab, um dann doch wieder Kurs zu nehmen. Richtig sauer werden die Hähne. Plustern ihr Gefieder zu einem pfauengleichen Rad, hacken auf dem Spiegel herum und gackern.

Allerdings: So klangvoll ist das Ülülülül nicht, dass Truthähne allen Ernstes beim Song Contest antreten können. Daher ließen sie vergangenes Jahr auch keinen echten Truthahn antreten, sondern eine aus der Satiresendung „The Den“ beliebte Handpuppe. Verzweiflungstat? Immerhin hatte Irland im vorvorigen Jahr beim Grand Prix so schlecht abgeschnitten? Oder doch Protest?

Eher Protest: „Um den Song Contest heute zu gewinnen, muss man entweder aus dem Ostblock sein oder eine tolle ausgefallene Idee haben – und ein singender Truthahn will wahrscheinlich eines der bizarrsten Dinge sein, die das Eurovisionspublikum je gesehen hat“, erklärte einer der Musikproduzenten des Songs mit dem sinnigen Titel „Irland Doux Points“. Der irische Song flog in dem Jahr schon im Halbfinale raus. Keine allzu große Überraschung.

Ob Courage wohl verstanden hat, welch unangenehme Überraschung ihm wiederum Herr Obama erspart hat? Wohl nicht, schließlich hat er sie ja nicht erlebt, der Glückliche. Anders als seine vielen tausend Artgenossen in den USA, über deren Überraschung Nassim Nicholas Taleb, Professor für Risikoforschung und ehemaliger Börsenhändler in seinem Buch „Der schwarze Schwan“ geschrieben hat. Überrascht wird der Truthahn demzufolge am Ende seines Lebens immer dadurch, dass er jahrelang jeden Tag erfährt, dass sich Menschen bestens um sein Wohlergehen sorgen. Bis dann, einen Tag vor „Thanksgiving“, das dicke Ende kommt… Wie dick eigentlich, das stand nun in der Financial Times Deutschland Online. 2007 verputzten die Amerikaner zu Thanksgiving mehr als 312 Millionen Tonnen „So viel wiegt die Bevölkerung Singapurs insgesamt“, schrieb ftd.de.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 1.12.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html