über der Autobahn 66 von Frankfurt in Richtung Wiesbaden hing längere Zeit ein Transparent von einer Brücke: „Du stehst nicht im Stau, Du bist der Stau.“
Ob im Stau oder als Stau – das gefühlte Ewigkeiten dauernde Stop and go an den Verkehrs-Knotenpunkten deutscher Straßen nervt Autofahrer ja von jeher. Künftig könnte es sie dazu noch teuer kommen. Zumindest wenn das europäische Parlament sein Vorhaben wahr macht, mit der Novellierung des europaweiten Mautsystems eine Gebühr über die so genannten externen Kosten zu kassieren.
Jep, externe Kosten. Ganz genau. Wenn Sie in VWL damals schön brav aufgepasst haben, wird es jetzt sicher bei Ihnen klingeln. Mit externen Kosten meint der Ökonom an sich ja die Kosten, die der Verursacher dieser Kosten nicht im Blick hat, weil er sie nicht direkt zu bezahlen braucht. Die er aber dennoch verursacht – beispielsweise durch Staus, Skifahren oder auch etwa Industrieabwässer in Flüsse spülen. Und zwar meist für alle Steuerzahler. Und das offenbar nicht zu knapp.
Einer Studie der EU-Kommission zufolge verursachten Staus im Jahr 2006 ganze 122 der insgesamt knapp 300 Milliarden Euro Gesamtkosten auf Europas Straßen. Da die EU allen Stau-Verursachern an die Tasche will, sollen künftig womöglich auch Pkw-Fahrer die Maut bezahlen müssen – nicht mehr nur Lkw-Fahrer.
Gut, mit ein wenig Glück gelingt es mit der Stau-Maut ja nicht nur, die Kosten für die Allgemeinheit zu reduzieren, sondern gleich auch die Staus abzukürzen – in London hat die City-Maut ja auch für leerere Straßen gesorgt.
Aber das ginge womöglich auch verblüffend viel einfacher. Das zeigt ein weiteres Beispiel aus Großbritannien: das im grünen Gürtel von London gelegene Örtchen Navestock. Dort einigte sich der Gemeinderat kürzlich darauf, es sei eine wunderbare Idee, die praktischerweise schon vorhandenen Schlaglöcher auf Navestocks Straßen zum „natürlichen Mittel zur Verkehrsberuhigung“ zu erklären. Für keine so gute Idee befand das dagegen der für die Instandhaltung der Straßen zuständige Rat der Grafschaft Essex. Die Idee des Gemeinderats von Navestock sei zwar interessant, räumte Verkehrsrat Norman Hume immerhin ein. Da die Mehrheit der Bewohner von Essex jedoch „auf sicheren und ebenen Straßen“ unterwegs sein wolle, werde der Rat der Grafschaft die Wege durch Navestock „so schnell wie möglich“ ausbessern, ließ er wissen.
Vielleicht überlegt er es sich ja noch einmal anders, wenn die Kostenkalkulation aus Brüssel kommt. Allein für LKWs rechnen die Industrie- und Handelskammern in Deutschland mit einer Mehrbelastung von 1,8 Milliarden Euro – für den Fall, dass zehn Prozent der LKW-Fahrleistung mit der zusätzlichen Stau-Maut belegt würde. Da ist es womöglich doch plötzlich ganz attraktiv, die Straßen nach dem nächsten Winter einfach nicht ausbessern zu lassen – äh, wieder nicht ausbessern zu lassen.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 16.04.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html