Geist- und Wunderheiler

hier scheint gerade die Sonne ins Büro. Endlich. Jedes Jahr das gleiche. Schon an den ersten noch nicht wirklich wärmeren Tagen – so um Februar März herum – befinde ich, es sei nun endlich genug des Winters und lasse Mütze, Schal und Handschuhe weg. Um mir die – oftmals erste – Erkältung des Winters zu holen. Denn leider vertrage ich kalten Wind nicht sehr gut.

Gut. Es ist jedes Jahr dasselbe und auch nicht weiter schlimm. Die Schnupfennase geht, der Sommer kommt – meist jedenfalls – dann doch. Auch wenn er sich durch Weglassen warmer Kleidung eben nicht herbeihypnotisieren lässt. Auch meine kleine Tochter freut sich, dass sie endlich ihr heißgeliebtes Blumenkleid wieder anziehen darf. Ein Glück.

Aber kein Grund nachlässig zu werden, wenn Sie heute Nachmittag ganz euphorisch in Ihrem Auto nachhause brettern. Schönes Wetter ist nämlich – rein straßenverkehrstechnisch – viel gefährlicher als Eis und Schnee. Das schreibt der amerikanische Psychologe Tom Vanderbilt  in seinem kürzlich erschienen Buch über Mensch und Auto. Klingt komisch, ist aber so. Und es ist auch logisch, finde ich. Denn, so Vanderbilt, der Mensch neigt dazu, Risiken zu kompensieren. Das heißt, dass Sie an Tagen mit Schneesturm schlicht bedeutend vorsichtiger fahren und bei Sonnenschein eben lieber mal losbrettern. Zeigen Sie, dass es auch anders geht und kommen Sie lieber sicher wohin auch immer. Es lohnt sich. Die Sonne. Die Vögel. Die Blumen. Das Wellenrauschen des schönen Rheins. Da vergisst man doch sogar manchmal, dass gerade Wirtschaftskrise ist. Geht Ihnen das nicht auch so?

Wenn da nicht selbst die ein oder andere skurrile Meldung gelegentlich daran erinnerte. Zum Beispiel die, dass die Geist- und Wunderheiler Russlands nun eine Gewerkschaft gründen. Wegen der Krise. Wie? Dabei habe ich gedacht, die seien ähnlich krisenfest wie die Alkohol-, Süßigkeiten, Kosmetik- oder Rüstungsindustrie.

Zu krisenfest wohl, erfahre ich bei genauerem Nachlesen. Durch die enorme Nachfrage aufgrund der Wirtschaftskrise sei die Arbeitsbelastung gestiegen, stand kürzlich offenbar in der „Nesawisimaja Gaseta“, so berichten honorige Quellen. Und deswegen schließen sich nun eben „Hellseher, Hexen und andere Spezialisten mit Verbindungen zu übernatürlichen Kräften“ der Vereinigung unabhängiger Gewerkschaften an.

Einen Haken gibt es da vielleicht: Alles selbstständige Unternehmer. Keine Angestellten. Das merkt auch der Chef der russischen Vereinigung für Volksmedizin an, Wladimir Jegorow, der die Gewerkschaftsgründung für wenig sinnvoll hält.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 16.04.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html