Naturfasern

wussten Sie eigentlich, dass die UN-Generalversammlung 2009 zum Jahr der Naturfasern erklärt hat. Habe ich kürzlich beim Altpapiersortieren gelesen.

Und was hat es uns und den Naturfasern gebracht?

Einen eindrucksvollen Biobaumwolle-Skandal. Gut, das mag verkürzt sein, aber viel mehr war von Naturfasern in den vergangenen Monaten ja nicht zu hören, oder? Produzenten von Biobaumwolle hatten zwar beim Anbau die Pestizide weggelassen, aber dafür gentechnisch behandelte Pflanzen verwendet. Das berichtete vor wenigen Wochen die Financial Times Deutschland. Das war da zwar schon ein Dreivierteljahr bekannt. Aber der Weltbioverband hatte sich nach Kräften bemüht, die Verstöße zu vertuschen. Und das, wo sich der Umsatz mit Biotextilien in den vergangenen fünf Jahren weltweit mehr als verzehnfacht hat: von 500 Millionen auf in diesem Jahr schätzungsweise 5,3 Milliarden Dollar, so die Neue Zürcher Zeitung.

Eigentlich ist der Bio-Textilrohstoff ja eine sehr feine Sache.

Denn in Sachen Umweltverträglichkeit ist der Baumwollanbau eine Nummer für sich: Zwei Prozent der Weltagrarfläche, aber 16 Prozent der Pestizide, schrieb die FTD. Das hat seinen Grund: Die Pflanze ist derart empfindlich, dass ihr wirtschaftlicher Erfolg nach blankem Wahnsinn klingt. Baumwolle kann nur trocken geerntet werden. Regnet es, müssen die Pflücker mindestens drei Tage warten. Öffnet sich aber die Pflanze, muss sie so rasch wie möglich vom Feld. Denn sonst trägt der Wind die zarten Fasern weg oder sie fallen zu Boden. Und bekommt die Baumwolle selbst in einer geöffneten Knospe Regen ab, ist sie nicht mehr zu gebrauchen. Dann waren sämtliche Investitionen für die Katz. So beschreibt es die italienische Wirtschaftsprofessorin Pietra Rivoli in ihrem Buch „Reisebericht eines T-Shirts“.

Unglaublich risikobehaftet also, das Geschäft mit der Baumwolle.

Aber wohl nur scheinbar alternativlos. Klar, auch ich schwöre auf Baumwolle: Für Kinder oder Leute mit empfindlicher Haut gibt es keine bessere Unter- und vor allem im Sommer auch Überbekleidung. Außer vielleicht Hanf. Der ist von Natur aus so robust, dass er ohne Pestizide auskommt. Ein echter Startvorteil. Und viel reißfester. Nach allem, was ich gehört und gelesen habe, sind keine Nachteile bekannt – weder für die Umwelt noch bei der Verarbeitung. Und von Tauen über Jeans bis zu T-Shirts geht alles. Schon die erste Jeans von Levi Strauss war aus Hanf.

Warum die tolle Faser kaum industriell genutzt wird, ist offenbar zumindest auch die Geschichte einer toll gelungenen PR-Kampagne. Das habe ich vor einigen Jahren mal im Radio gehört. WDR oder Deutschlandfunk, also zuverlässige, öffentlich-rechtliche Quelle. Aber nicht etwa eine PR-Aktion der Baumwollindustrie.

Chancen verhindert hat über Jahre wohl eine ganz andere Studie: herausgegeben von einem Verband der Alkoholindustrie: über die negativen Wirkungen der dröhnenden kleinen Schwester Cannabis. Beim daraufhin erlassenen Anbauverbot machte man offenbar zumindest lange Zeit keinen Unterschied zwischen Cannabis und wirkstofffreien Hanfpflanze für die Textilindustrie.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 04.03.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html