waren Sie mal in Kopenhagen? Dann kennen Sie vielleicht die Freistadt Christiania.
Dieses Kopenhagener Viertel halten seit 1971 Aussteiger und Hippies besetzt. Überall Blumen, bunte Häuser und Stadtteile mit Namen wie Löwenzahn oder Milchstraße. Womöglich nicht mehr lang. Denn ein Gerichtsurteil erlaubt dem dänischen Staat nun, das Viertel zu räumen. Das ist bislang nicht geschehen. Aber wenn, können wir wohl von Glück sagen, dass die Bewohner des ehemaligen Kasernengeländes pazifistisch eingestellt sind. Sonst gäbe es vielleicht einen Krisenherd mehr in Europa.
Das wäre zumindest nicht ganz abwegig. Christiania ist nicht bloß ein bunter Haufen, sondern versteht sich als Mikronation. Das das sind kleine Erdflecken, die den Anspruch erheben oder auch Anschein erwecken, ein Staat zu sein – aber völkerrechtlich nicht anerkannt sind.
Nicht, dass Sie das jetzt auch mit Zwerg- oder Kleinstaaten wie Andorra, Malta oder Liechtenstein verwechseln. Die sind zwar ebenfalls Bonsai – aber anerkannt.
Die selbsternannten Staatsoberhäupter dieser Mikronationen sind zuweilen richtig militant. Zum Beispiel auf Sealand, offiziell: Fürstentum Sealand, eine konstitutionelle Monarchie vor der Küste Englands. Die befindet sich auf einer ehemaligen britischen Seefestung. Als Staat proklamiert hat die Stahlkonstruktion 1967 Paddy Roy Bates. Der britische Ex-Major hatte da gerade wegen des Betriebs eines Piratensenders Ärger am Hals. Sealand gibt Diplomatenpässe, Briefmarken, eine Nationalhymne, Flagge und Münzen aus. Und macht seinem großen Nachbarn richtig Ärger. Nachdem 1987 die internationalen Hoheitsgewässer auf die Zwölfmeilenzone ausgedehnt wurden, gab es sogar bewaffnete Grenzscharmützel.
Glauben Sie bloß nicht, ein Staat mit einer Handvoll Einwohnern sei ein Kindergeburtstag.
Pustekuchen. Als Fürst Roy und Fürstin Joan nach Salzburg fuhren, putschte der auf Lebenszeit eingesetzte Premierminister und Regierungschef von Sealand, Alexander Gottfried Achenbach, ein eingebürgerter Deutscher. Und nahm Fürst Roys Sohn Michael als Geisel. Mit Hubschraubergewalt eroberte Roy wenig später Sealand zurück und nahm ebenfalls Kriegsgefangene. Die europäischen Nachbarn schalteten sich in den Konflikt ein. Deutschland sandte schließlich einen Konsularbeamten der Botschaft zu Verhandlungen nach Sealand, was Fürst Roy als völkerrechtliche De-facto-Anerkennung wertschätzte. Lustigerweise erkennt übrigens Sealand umgekehrt Deutschland seit der Wiedervereinigung nicht als eigenständigen Staat an…
Die Briten können neidisch auf die Dänen mit ihren gewaltfreien Hippies sein
Auch in Deutschland gab es schon die ein oder andere Mikronation. Der Pass der Republik Freies Wendland etwa – damals gegründet von Atomkraftgegnern bei Protesten gegen das Atom-Endlager Gorleben – kostete seinerzeit zehn Mark. Und war gültig, “solange sein Besitzer noch lachen kann“.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 04.06.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html