Lehnwörter

im Finanzdistrikt von San Francisco steht das Gaffen derzeit hoch im Kurs.

In der Mittagspause sammeln sich die Geschäftsleute und Bankangestellten auf dem Bürgersteig, den Blick fest auf die andere Straßenseite gerichtet. Da wird seit einigen Tagen beste Unterhaltung geboten: Ein Purpurstärling – das ist ein nordamerikanischer Singvogel, der ein bisschen aussieht wie unsere Amsel – verteidigt mit Schnabel und Krallen sein Revier. Hopst über den Asphalt, schnappt sich einen Wurm, füttert seine Küken – und attackiert nebenbei zu Bestzeiten zwei bis drei Fußgänger pro Minute.

Hitchcocks Vögel lassen grüßen.

Aber „Swoops“ – so haben Blogger den possierlichen Piepmatz getauft, es bedeutet Sturzflieger – kommt allein. Ein Schild warnt: „Achtung: Auf den nächsten hundert Metern schlägt ein Vogel von oben herab zu“.

Bis die Leute das Schild gelesen haben, ist es auch schon passiert…

„Wir schließen Wetten ab, wen es als nächsten trifft“, ließ Susanna Cook eine Zeitung wissen. Auf Männer mit Glatze steht Swoops offenbar besonders. Die Ausschnitte bei youtube haben etwas von einer Sitcom. Bei jedem Angriff Gelächter und Applaus. Schadenfreude.

Das ist ja die reinste Freude, sagt jedenfalls eine Spruchweisheit.

Wussten Sie eigentlich, dass viele Nationen gar kein eigenes Wort für Schadenfreude besitzen? Ich wusste das nicht. Leihen sie sich eben unseres aus: Als Lehnwort gibt es die Schadenfreude im Englischen, Französischen, Italienischen, Spanischen, Portugiesischen und Polnischen. Sie begegnen in aller Welt auch noch Kindergärten, Hinterland, Trittbrettfahrern, Zechprellern sowie Weltschmerz, Angst und Sauerkraut.

Wörterbücher sagen mehr über ein Land als Reiseführer, davon ist der Brite Adam Jacot de Boinod überzeugt. Er muss es wissen, besitzt er doch 280 Wörterbücher. Ein paar sprachliche Juwelen hat er in ein Buch geschrieben, „Meaning of tingo“.

Hübsch finde ich zum Beispiel, dass es im Albanischen 27 Bezeichnungen für Schnurrbärte und Augenbrauen gibt. Auf Hawaii gibt es 108 Wörter für Süßkartoffen, 47 für Bananen und 65 Worte für Fischernetze. Perlen des Tiefsinns finden sich auch, etwa im persischen. Da bezeichnet „tuti’i pas ayina“ eine Person, die hinter einem Spiegel sitzt und einen Papagei das Sprechen lehrt, indem sie ihn glauben macht, dass es ein anderer Papagei ist, der die Wörter vorspricht.

Schlau, finden Sie nicht auch?

Ich habe immer gedacht, beim Entlehnen von Worten in die eigene Sprache gehe es um knackige Treffsicherheit. Ich habe meine Zweifel, seit ich das Tok Pisin-Wort – die Sprache Papua Neuguineas – für Akkordeon kenne. Akkordeon ist schlank und griffig. Die Papuas sagen lieber: ‚liklik box you pull him he cry you push him he cry‘.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 14.07.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html