Kindchenschema

meine Oma hatte vor kurzem einen Papagei in Pflege. Als wir Laura – auch Lorchen genannt – mit drei Erwachsenen gegenübertraten, verhielt sich das bunt gefiederte Tierchen neutral. Es schaute zurück.

Aber Sie hätten Lorchen mal sehen sollen, als meine 1,15 Meter große und eindeutig kindlich aussehende Tochter ankam. Da drehte der Vogel voll auf. Kletterte über Käfigwand und Decke, gugurrte meine Tochter an, flitzte von links nach rechts, nahm akrobatische Dehnhaltungen ein, wippte – und schien richtig gute Laune zu haben.

Meine Tochter war begeistert.

Ich wusste ja schon, dass das Kindchenschema auch artübergreifend funktioniert. Warum sonst sollten wir alle eine besondere Vorliebe für Kätzchen, Küken oder auch Welpen haben. Umgekehrt erkennen auch Hund oder Katze unsere Kinder als schützenswert an. Kaum eine normale Katze, die bei einem kleinen Klaps für ein Kleinkind die Krallen ausfahren würde.

Beschütz mich, sei lieb zu mir, so versteht eben jeder das Kindchenschema.

Wussten Sie, dass es sogar in Computerspielen ein klarer Vorteil ist, niedlich zu sein? Das haben Forscher nun herausgefunden. Sie untersuchten, wie sich Studenten beim World of WarCraft-spielen verhalten. Heraus kam: Das Kindchenschema wirkt auch in der virtuellen Welt: Großer Kopf, runde Augen und Stupsnase wecken auch unter Avataren den Beschützerinstinkt. Die Figur, mit der die Forscher das ausprobierten – eine kindliche Gnomin mit großen Augen und rosa Zöpfen – erhielt in 57 Prozent der gestellten Anfragen Unterstützung. Einem zum Vergleich herangezogenen Nachtelf halfen in der gleichen Lage dagegen nur fünf Prozent der Mitspieler. Auch sonst funktionierte vieles wie sonst auch.

Das hätte ich auch erwartet. Sie nicht? Schließlich sitzen vor den Computern ja immer noch reale Menschen. Und die rührt eben das unbedarft-rundliche Äußere. Es bringt sie dazu, Kindern zu helfen – auch artübergreifend.

In einem chinesischen Zoo gerade auch: Da zieht eine Hündin seit ein paar Tagen zwei schnuckelige kleine Pandabären groß. Die beiden Baby-Pandas waren von ihren Müttern verstoßen worden. Nun liegen die unbedarften Katzenbären an den Zitzen und sind zufrieden. Seit ihrer Geburt am 25. Juni haben die Pandas ihre Körperlänge glatt verdoppelt und gut zugenommen, berichtete die Pekinger Nachrichtenagentur Xinhua. „Die beiden Babys scheinen sie zu lieben“, sagte der Tierpfleger Ha Guojiang vom Zoo in Taiyuan.

Es gibt da nur ein kleines Problem: Die Hündin denkt, die Pandas seien ihre Kinder. Um ihren eigenen Wurf kümmert sie sich nicht mehr. Die zieht nun der Tierpfleger groß – statt der Pandabären.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 10.08.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html