Gestik

neulich sagte mir mal jemand, es sei schon lustig, wie oft Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Ansprachen eine Parkposition einnehme.

Parkposition? Das ist die Position, die Frau Merkel – oder auch andere Menschen – einnimmt, um sich zu konzentrieren. Oder auch mal Kraft zu sammeln, wenn sie unsicher ist. Frau Merkel verschränkt dann leicht die Hände vor der Brust ineinander, bevor sie wieder die rechte Hand kurz vom Körper streckt und wieder einfährt. Herr Steinmeier legt dagegen lieber Daumen und Zeigefinger aneinander und lässt die Hand wippen.

Politiker am Podium sind eben in einer besonders exponierten Lage. So können sie es sich erlauben, auch mal gegen die Konvention zu verstoßen. Die sagt: Gestikuliere lieber nicht zuviel – das wirkt fahrig, unkonzentriert und unsouverän. Aber offenbar stimmt das so gar nicht, zeigen nun neuere Studien.

Im Gegenteil. Intensives Gestikulieren bringt dem Menschen sogar Vorteile.

Normalerweise reduziert Multitasking die Leistungsfähigkeit. Aber beim Reden und Gestikulieren ist beides zusammen offenbar viel einfacher, als nur zu sprechen ohne zu gestikulieren, fand die Psychologin Susan Wagner Cook von der University of Iowa heraus. Gestikulieren erleichtert dabei nicht nur das Sprechen – es hilft beim Abrufen von Informationen.

Der Begriff Gehirnjogging muss wohl nun völlig neu definiert werden.

Im „Journal of Memory and Language“ berichtet Wagner Cook nämlich über ihr Experiment mit Studenten. Die sollten Mathematikaufgaben lösen und diese dann beschreiben, während sie sich gleichzeitig eine Buchstabenfolge merken sollten. Wenn die Teilnehmer bei der Erklärung der Aufgabe gestikulierten, konnten sie sich deutlich mehr Buchstaben richtig merken, als wenn sie ihre Hände still hielten. Das Gestikulieren schaufelte offenbar richtig Speicherplatz frei.

Das finde ich super – rudere ich doch selbst gern beim Sprechen mit den Händen.

Sie ja vielleicht auch. Von nun an haben wir freie Hand…

Gerade die vielen intuitiven Gesten – meist Zeige- oder abbildende Gesten: sooo groß, sooo hoch oder auch scheinbar geistesabwesendes hoch-runter, links-rechts  oder groß-klein – entlasten das Gedächtnis enorm. Das schöne dabei: Das hilft auch, wenn Sie sich neue Namen merken wollen oder sich im Gespräch fragen, auf welchem Stand Ihr Gegenüber eigentlich nochmal war.

Und falls Ihr Kind vielleicht nicht so gut in Mathe sein sollte, können Sie ihm ruhigen Herzens den Tipp geben, die Finger beim Addieren zu benutzen und ruhig beim Vortragen der gelösten Aufgabe zu gestikulieren. Kinder die das taten, konnten einer weiteren Studie zufolge ähnliche Aufgaben nach einigen Wochen viel besser lösen als Kinder, denen die Forscher eingeimpft hatten, nur zu sprechen. Sagen Sie Ihrem Sprössling dann aber auch besser, dass es wiederum auch nicht wild herumhopsen sollte. Das wäre zwar sicher lustiger, würde aber bestimmt den Lehrer irritieren.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 1.10.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html