Experten

wenn ausgewiesene Experten hochoffiziell in den Expertenstatus gehoben werden, sollten sie sich eigentlich freuen. Oder?

„Im Prinzip ja, aber…“, würden jetzt wahrscheinlich die Ratingagenturen antworten. Die entpuppten sich nämlich als gar nicht so begeistert davon, dass ihnen die US-Finanzreform nun hochoffiziell das Etikett „Experte“ angeheftet hat. Laut Gesetz sollen ihre Urteile fortan als Urteile von Experten gelten.

Wahrscheinlich erinnern Sie sich noch: Moody’s & Co. werden mitverantwortlich für die Finanzkrise gemacht – waren sie es doch, die noch die intransparentesten und dubiosesten Anlageprodukte als sicher durchwinkten. Ihre Urteile wurden und werden als höhere Weisheiten verkündet – und auch verwertet. Doch auch wenn wir sie also alle irgendwie schon als Experten betrachten – tatsächlich waren ihre Urteile bislang eben nur: bloße Meinungsäußerungen.

Und was tun die Ratingagenturen nun? Nach der Ehrung?

Statt Champagner für alle zu ordern, forderten die großen Drei Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch erst mal ganz rasch ihre Kunden auf, ihre Bewertungen „doch bitte vorerst nicht mehr zu verwenden“, um ihre Kunden von neuen Finanzprodukten zu überzeugen, berichtete kürzlich die Financial Times Deutschland. Und damit stehen offenbar erst einmal alle Finanzräder still: Zahlreiche Unternehmen, die mit Verbriefungen in den Startlöchern standen, halten diese jetzt zurück. Klar, brauchen sie doch für die eine schriftliche Bewertung durch eine Agentur. Genau: die diese ja verweigern.

Warum sie sie verweigern?

Das ist schnell erzählt: Das Gesetz sieht vor, dass die Agenturen nun auch für ihre Einschätzungen haften müssen. Damit wäre das ganze schöne Geschäftsmodell hinfällig. Zumindest könnte es sehr, sehr teuer werden – können wir uns ja denken, nach der Krise.

Entweder, Barack Obamas Experten haben da ganz schlau den Hebel genau am Fehler im System angesetzt – und ihn damit womöglich behoben. Oder aber wir haben bald ganz neue Institutionen, die too big to fail sind und in der nächsten Krise gerettet werden müssen – weil sie für Griechenlandpleite oder faule Wertpapiere in undefinierbaren Finanzkonstrukten haften müssen.

Die Ratingagenturen fahnden nun offenbar nach einem Schlupfloch. So teilte Standard & Poor’s mit: „Wir werden Mechanismen untersuchen, die auch in Zukunft Bewertungen möglich machen.“ Wir werden sehen, was sie finden.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 05.08.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html