Eissorten

wenn am Mainzer Rheinufer nachmittags mal wieder dieses schrille Klingeln ertönt, wissen alle Kinder: Da kommt das Eis.

Mäßiges Wetter? Herbstliche Winde oder Aprilschauer im Juli? Ganz egal. Und es ist ja auch unschlagbar, mit Eiswaffel auf das andere Flussufer mit dem roten Dom zu gucken. Das ist so lauschig, da kommt man gar nicht auf die Idee, dass Eis auch zum Politikum werden kann.

Kann es aber. So wie diesen Sommer in Russland. Dort benannte ein Eiscremehersteller eine neue Eissorte nach dem russischen Ministerpräsident und ehemaligen Staatspräsidenten Wladimir Putin. Ging weg wie geschnitten Brot. Allein in Moskau seien in diesem Jahr rund 60 Tonnen der Schleckerei verkauft worden, berichtete die Zeitung „Nowaja Gaseta“.

Putin war gar nicht amüsiert. Die Kremlpartei „Geeintes Russland“ gab sich empört.

Ich finde, das ist kurzfristig gedacht. Langfristig wäre es doch sicher nicht das schlechteste für Putin, wenn sich sein Name nun mit der mit der russischen Trikolore verzierten Eiscreme verheiraten würde. Das würde vielleicht sogar helfen, Tschetschenienkrieg, mangelnde Pressefreiheit oder ausufernde Bürokratie und Überwachung in die Vergessenheit zu drängen.

Anderen Politikern wird ja auch längst kulinarisch gehuldigt.

Vom französischen Heerführer Napoleon gibt’s einen Cognac und von Glasnost-Verfechter Gorbatschow einen Vodka. Es gibt den Bismarck-Hering – Heringslappen, die in eine saure Marinade aus Essig, Speiseöl, Zwiebeln, Senfkörnern und Lorbeerblättern eingelegt sind. Der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck soll die sehr gern gegessen haben. Er hat mal gesagt: „Wenn Heringe genau so teuer wären wie Kaviar, würden ihn die Leute weitaus mehr schätzen.“

Gut, bei manchen nach historischen Persönlichkeiten benannten Spezialitäten ist die Erinnerung an die Person mit der Zeit verloren gegangen. Das ist sicher der ersten italienischen Königin Margherita passiert. An sie wird wohl kaum einer denken, wenn er seine Pizza mit Käse, Tomate und Basilikum verzehrt. Und die russische Adelsfamilie Stroganoff? Bringen Sie wohl weniger mit der Eroberung Sibiriens in Verbindung, als mit den nach ihr benannten Rinderfiletspitzen. Und an was denken Sie beispielsweise, wenn Sie „Fürst Pückler“ hören? Klar: An Vanille-, Schokolade-, Erdbeereis. Gibt’s ja auch in jeder Supermarkt-Kühltruhe…

Vielleicht wäre das Putin-Eis ja störungsfrei in den Markt geronnen, wenn es nicht nach Crème brulée geschmeckt hätte, sondern – sagen wir: nach Vodka. Falls nicht Putin grundsätzlich Eis schlicht zu wenig männlich findet.

Einen Versuch wäre es sicher wert: Bislang hat sich Putin jedenfalls nicht darüber beklagt, dass ein Vodka schon seit geraumer Zeit seinen Namen trägt. Der kommt zwar aus Litauen, verkauft sich in Russland aber bestens. Weit besser als das nach dem derzeitigen Staatspräsidenten Dmitri Medwedew. Der kann ja dann die Crème brulée-Sorte haben.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 30.07.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html