Bereitschaftspotenzial

fragen Sie sich auch manchmal, warum Sie in der Kantine schon wieder zu den Pommes gegriffen haben? Wo doch alle Welt weiß, dass die Salzkartoffeln die bessere Beilage gewesen wären? Vielleicht ist ja das Angebot Ihrer Küche oder Ihres Caterers zu gesund. Ja, da können Sie gucken – das habe ich auch. Und wird Ihr Caterer oder Koch erst, wenn Sie ihm das sagen…

Aber es ist wohl so. Forscher der City University in New York hatten darüber gerätselt, warum die Amerikaner immer dicker werden, obwohl sie so gesunde Nahrungsmittel zur Auswahl haben. Die Antwort: Eben drum, eröffneten sie im „Journal of Consumer Research“. Haben Sie die Auswahl zwischen Chicken Nuggets, Pommes Frites und einer gebackenen Kartoffeln, werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit die Kartoffel nehmen – würden die Forscher der Studie zufolge prognostizieren. Haben Sie dagegen zusätzlich noch einen schönen, knackigen Salat zur Auswahl, lehnt sich Ihr Gewissen beruhigt zurück – und nimmt die Pommes. Den Salat ließen die Versuchspersonen dann nämlich großteils links liegen.

Die Forschungsarbeit ist, soviel ich weiß, nicht für den Spaß-Nobelpreis nominiert (siehe Newsletterausgabe vom 23.4.). Vielleicht qualifiziert Sie sich ja hiermit: Die Forscher fanden nämlich außerdem noch heraus, dass die Versuchspersonen mit der am stärksten ausgeprägten Selbstkontrolle – genau: am häufigsten zum ungesunden Essen griffen. Die eher lässige Versuchsgruppe dagegen mümmelte trotz fehlender guter Vorsätze und Disziplin brav den Salat. Ich finde, dieses Forschungsergebnis hat fast Zen-Qualität.

Aus ihr lässt sich ja eigentlich nur der Rat ableiten: „Lasse alle Absichten zu gesunder Ernährung fahren und entspann Dich.“ Was wohl für jeden, der diesen Grad an ökotrophologischer Erleuchtung noch nicht erreicht hat, ähnlich schwer zu befolgen sein dürfte, wie die Aufforderung, ganz spontan zu sein. Ein Dilemma.

Was man bei einem Blick ins Gehirn der Versuchspersonen wohl gesehen hätte? Hätten sich die New Yorker doch bloß mit den Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig zusammengetan – dann wüssten wir es. Die haben nämlich einen Blick auf die Gehirnaktitiväten ihrer Probanden riskiert, um herauszufinden, wann diese eine Entscheidung treffen und ob man diese vorhersehen kann. Man kann. Die Probanden sollten sich aussuchen, mit welcher Hand sie einen Knopf betätigen wollen. Sie mussten später nur angeben, wann genau sie sich entschieden haben. Die Versuchsteilnehmer sagten, dies sei eine Sekunde vor dem Knopfdruck geschehen. Ihr Gehirn allerdings hatte sich schon sieben Sekunden vorher festgelegt, das konnten die Forscher vor dem Kernspintomographen (MRT) sehen – und mit mehr als zufälliger Wahrscheinlichkeit auch voraussagen. Warum? Wegen des so genannten Bereitschaftspotenzials, das der Entscheidung vorausgehe, erklärten die Forscher.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 28.04.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html