Benehmen

es gibt Klagen, da wundert man sich, wie betagt die schon sind.

Zum Beispiel die hier: „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie verschlingt die Speisen, legt die Beine übereinander und tyrannisiert die Eltern.“

Klingt irgendwie aktuell, finden Sie nicht auch? Ist aber – Sie ahnen es – schon ein paar tausend Jahre alt. Soll Sokrates gesagt haben. Der Philosoph hat im alten Griechenland gelebt. Kürzlich beschwerte sich wieder einer: Restaurantkritiker Wolfram Siebeck. Das Fernsehen fördere schlechte Manieren, bemängelt der Gourmet-Papst. So umfassen in den zahlreichen Prominentendinner-Sendungen die Gäste ihr Weinglas meist mit allen Patschefingerchen, statt es zierlich mit den Fingern am Stiel zu greifen.

Wenn es denn wenigstens ein Weinglas ist.

Stattdessen saufen die Leute in den anderen Boulevardsendungen immer öfter aus Sangria-Bottichen. Komplizierte Gerichte werden gar vor laufender Kamera mit der ungewaschenen Hand verzehrt, statt mit Messer, Gabel oder Hummerzange. Dies sei „unmöglich und unästhetisch, barbarisch und unzivilisiert“, klagt Siebeck.

Es ist schon verwunderlich – steht doch feines Benehmen seit Jahren hoch im Kurs. Zumindest gehen die einschlägigen Benimmratgeber und -seminare weg wie geschnitten Brot. Schon ihre Siebenjährigen lassen Eltern das anständige Parlieren und Dinieren üben. Setzte sich doch durch die Bank die Erkenntnis durch, wie wichtig Manieren beispielsweise für die berufliche Karriere sind. Eigentlich logisch, dass Manieren da längst kein Erkennungsmerkmal der gehobenen Schicht mehr sind.

Dass aber gerade Kinder aus so genanntem gutem Haus sich besonders schlecht benehmen, hätte ich jetzt auch nicht gedacht. Genau das jedoch fanden Psychologen der Universität von Kalifornien in einem Experiment heraus, wie kürzlich die Apotheken-Umschau berichtete. Die Forscher ließen jeweils zwei Studenten, die sich nicht kannten, fünf Minuten lange Gespräche miteinander führen. Sie filmten die Begegnungen und prüften anschließend, wie oft die Gesprächspartner sich einander zuwandten und wie verbindlich oder unverbindlich sie sich verhielten.

Studenten aus wohlhabendem Elternhaus benahmen sich besonders schlecht.

Echte Stoffel flegelten sich da vor Kamera und Gesprächspartner. Es waren gerade Studenten aus wohlhabenden Elternhäusern, die während der Gespräche mit Gegenständen spielten, auf Papier kritzelten oder an ihrer Kleidung nestelten. Die Forscher wunderten sich über dieses ungebührliche Verhalten. Ihre Theorie: Menschen aus höheren sozialen Schichten sind unabhängiger von anderen – und das spiegele sich eben auch in der Körpersprache wider.

Klingt fast wieder schmeichelhaft, finden Sie nicht auch?

Bleibt die Frage: Was wollen die Experten uns damit sagen? Ist schlechtes Benehmen nun ein Statussymbol? Fördert es womöglich gar das berufliche Fortkommen? Oder behindert es dieses nur nicht? Das wäre doch mal interessant.

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 27.08.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html