Be-late-for-something-day

was Sie jetzt lesen, das wollte ich Ihnen schon vor einem Jahr und drei Monaten aufschreiben. Aber ich bin nicht dazu gekommen. Immer war irgendetwas. Und es hatte ja Zeit.

Das ist wahrscheinlich auch genau das Problem.

Jetzt schreibe ich es Ihnen endlich auf. Denn eigentlich ist es ganz nett, was ich da über den „Be-late-for-something-day“ gelesen habe, den Sie in den USA und anderswo am 24. September begehen. Beziehungsweise nicht am 24. September, sondern später – nur nicht gerade ausgerechnet am 24. September. So jedenfalls lautet die Vorgabe des Procrastinator’s Club, der den Tag ins Leben gerufen hat. Mit der Termintreue sieht es der Club nicht so eng.

Toll! Jetzt wollte ich gerade nachschauen, wo sie bei der Bearbeitung der Mitgliedsanträge sind. Aber ich kann die Seite des Clubs im Internet nicht mehr finden. Wahrscheinlich haben sie vom Club vergessen, die Miete für die Webpräsenz zu zahlen. Jedenfalls ist die vom Netz genommen. Vielleicht gibt es den Club ja gar nicht mehr. Ich schreibe Ihnen die Geschichte trotzdem auf. Über wen, wenn nicht über diesen 1957 gegründeten Club könnte man noch nach seiner Auflösung etwas berichten? Immerhin haben sie 1969 – lange nach der Trennung – Dean Martin und Jerry Lewis zum ‚Comedyteam of the year’ gekürt. Und ich wüsste auch nicht, wo ich sonst dieses wunderbare Zitat von Douglas Adams loswerden könnte: „Ich liebe Deadlines. Ich liebe das zischende Geräusch, das sie machen, wenn sie vorbeifliegen.“

Immerhin erinnere ich mich, dass der – damals noch existierende – Club vor drei oder vier Jahren dabei war, die Mitgliedsanträge für das Jahr 1997 zu bearbeiten. Das stand auf seiner Internetseite. Eigenen Angaben nach hatte der Club da in den USA eine halbe Million Mitglieder, „die es nur noch nicht geschafft haben beizutreten“. Ich wollte immer mal nachgeschaut haben, ob man auch hier dort Mitglied werden kann.

Zu spät…

Was Sie da übrigens gerade gelesen haben („wollte mal nachgeschaut haben“), ist der rheinländische Einschlag, der gelegentlich bei mir durchkommt. Der Kabarettist Konrad Beikircher nennt das den „rheinischen Konjunktiv“. Er hat sich intensiv mit den hochkomplexen sprachlichen Gewohnheiten der niederrheinischen Völkerstämme auseinandergesetzt. Diese kultivieren den Konjunktiv als Lebensform, um sich nicht festlegen zu müssen, wie die „Zeit“ mal in einem Bericht über Beikircher schrieb – passt doch wunderbar zum Thema, fällt mir gerade auf.

Beispiele? Auf die Frage, warum er denn eine bestimmte Aufgabe immer noch nicht erledigt habe, antwortet beispielsweise der Kölner an sich: „Datt han isch jestan jemacht habn wolle.“ Auf deutsch: „Das habe ich gestern gemacht haben wollen.“ Oder das hier: Jemand kommt rein und sagt „Ich wollt‘ gar nicht gekommen sein.“ Und sagt vor dem Aufbruch: „Ich bin weg, ne!“ Für Nord-, Süd- oder Ostdeutsche mag das merkwürdig klingen – im Rheinland ist es Routine.

Was ich vorhin noch gesagt haben wollte: Ich liebe Köln und den Niederrhein. Ich komme daher. Wo waren wir stehen geblieben? Richtig: Der Be-late-for-something-day. Den hat der wohl verblichene Procrastinators Club das ganze Jahr lang zelebriert. Aus Selbstdarstellung: „Man liebe „das Füße-Hochlegen und Arbeitsschwänzen sowie den letzten Präsidenten.“ Hübsch fand ich, dass der Club mal ein Mitglied ausschloss, weil es seine Weihnachtskarten rechtzeitig verschickt hatte. Das habe sich aber dann als Irrtum herausgestellt, und so nahm der Club das Mitglied wieder auf. Nachdem es erklärt hatte, das seien die Karten vom Vorjahr gewesen.

„Janz ejal!“, würde der Rheinländer an sich da wohl sagen. „Hauptsache, et is schön.“ Und Konrad Beikircher würde dazu wohl sagen: „Am schönsten isset, wenn et schön is.“

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 14.10.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html