Schilderwald

neulich auf der Autobahn war plötzlich „mein“ Schild weg.

Ich wollte nach Darmstadt. Und dann stand da plötzlich nur noch „Rüsselsheim“. Gut, dass ich die Strecke kenne. Ich brauche kein Schild, das mir Richtung oder Entfernung weist. Wahrscheinlich irgendeiner Schilderwald-Abforstungsaktion zum Opfer gefallen. Sind sie doch überall damit beschäftigt, den Schilderwald zu lichten.

Wo wir uns gerade dran gewöhnt hatten…

20 Millionen Schilder, alle 28 Meter eins, hat der ADAC gezählt. Schilder von Straßennamen nicht mitgerechnet, wenn ich es richtig verstanden habe. Viel zu viele, klagen Autofahrer und -lobbyisten seit Jahren. „Ich muss als Autofahrer an einem Flughafen nicht wissen, dass Flugzeuge in der Luft sind“, lästert ADAC-Jurist Markus Schäpe. Die laut ADAC „umfangreichste Reform der Straßenverkehrsordung (StVO) seit 1971“ soll nun Abhilfe schaffen. „So viele Verkehrszeichen wie nötig, so wenige wie möglich“, fasst Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee zusammen.

Also: Elf Schilder weg, darunter der kleine Gartenzaun, der Einbahnstraßenpfeil sowie die Warnung vor spritzendem Schotter oder auch etwa Leuten auf der Straße. Sollen weg. Ebenso wie die vielen überflüssigen Parkge- und -verbotsschilder. Demnächst also nur noch Parkzonenschilder zu Beginn und Ende einer Parkzone. Wunderbare Idee, die Autofahrer aufs Raten zu verweisen – schließlich müssen die Kommunen ja irgendwie an Geld für Schulen, Straßenbau oder Sozialhilfe kommen. Neulich habe ich morgens um die Ecke zufällig ein Gespräch zweier männlicher – nun: Politessen belauscht. Meinte der eine: „Schreib den auch auf – das dürfen wir doch jetzt.“ Und zeigte auf den Wagen irgendso eines Unglückseligen, dem wohl auf dem Weg zur Arbeit eingefallen war, dass er Firmenausweis oder Butterbrot vergessen hatte und der in der Einfahrt hielt. Aber zurück zum Thema: Plus fünf neue Schilder: Inline-Skaten auf Radwegen erlaubt etwa. Macht sechs Schilder weniger.

Klingt nicht gerade nach Revolution im Schilderwald.

Wo wir gerade bei kleineren Korrekturen sind: Überdenken sollten die Verkehrsplaner das blaue Umleitungsschild an Autobahnen. Es ist leicht zu verwechseln. Zumindest für jemanden, der in Deutschland nicht Auto fährt. Wie vor einigen Wochen einen chinesischen Studenten. Der hatte nur auf seine Mutter gehört. Die meinte laut Spiegel: „Lern nicht nur, treib auch mal Sport.“ Und so hatte sich der 26-Jährige morgens zum Fahrradausflug vom Münchener Stadtrand ins 70 Kilometer entfernte Augsburg aufgemacht. 20.15 Uhr der Notruf: Da treibe sich ein Irrer auf der A99 herum. Den Weg zurück hatte der erschöpfte Radfahrer mit der U-Bahn zurücklegen wollen – und war dabei irrtümlich auf die Autobahn geraten.

Immer den Umleitungsschildern nach, weißes U vor blauem Hintergrund. Das kannte er ja schon aus München. Dort steht es für U-Bahn.

Ob er sich nicht gewundert habe, dass so wenige Fahrradfahrer unterwegs gewesen seien, fragte eine Polizistin. Nein, das passiere ihm in Deutschland öfter, meinte der Student. Aus China war der junge Mann Millionen Fahrradfahrer auf der Straße gewohnt. Und sechsspurige Autobahnen.+#

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 24.09.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html