Zeit und Eile

Zeit ist eines der großen Themen. Auch eines meiner persönlichen Lieblingsthemen, auch wenn ich beruflich darüber bislang nicht viel geschrieben hab. Sie bewegt von jeher und wohl auch immer mehr Menschen. Vor ein paar Tagen die Chefredakteurin von Harvard Business Manager, die im Newsletter auf diese interessante Podcastfolge und einen etwas älteren Beitrag zum Thema Glück hinweist – das viel mit Zeit zu tun hat.

Zeitwohlstand oder auch einfach nur Zeitsouveränität – und wir haben ja alle sieben Tage mit 24 Stunden – ist ein Glücksbringer. Für den wir auch selbst einiges tun können. Und so war ich vor noch ein paar Tagen mehr auch ganz dankbar für die Erinnerung an diesen alten Slogan „Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit“ im da gerade wieder mal erschienenen Timeletter der Gesellschaft für Zeitkultur, den ich seit ein paar Jahrzehnten abonniert habe, in denen auch ich ohne Armbanduhr wenn auch nicht ganz uhrzeitlos gut gelebt habe.

Der Kontext allerdings hat auf meiner Stirn Falten geworfen. Der ging nämlich als nennen wir es Zaunpfahl in Richtung „Letzte Generation“. Die zu arg auf die Tube drücke, so der Tenor. Anlass für die Kritik war der Stopp des Heizungsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht kürzlich. Für den hatte der Abgeordnete Thomas Heilmann gesorgt unter anderem oder wohl auch maßgeblich mit dem Argument, er könne den Gesetzentwurf in der für die Abstimmung anberaumten sehr kurzen Zeit nicht vernünftig bewerten.

Ich erinnere mich, dass bei einem Besuch des Bundestags 2001 täglich 5000 Seiten mit abstimmungsreifen Vorlagen vor dem Sitzungssaal nur für den anstehenden Sitzungstag jeden Morgen aufgestapelt dalagen, als wir mit der Lehrredaktion in Berlin waren. Hätten wir damals jemand wie Heilmann gehabt, hätte das vielleicht geholfen, seinerzeit wohl beliebte lobbyistische Stunts zu verhindern wie etwa das Hineinschreiben entscheidender Änderungen durch von Unternehmen beauftragte Kanzleien über Nacht in Gesetzesentwürfe hinein, über die dann am Folgetag abgestimmt wurde. Gab es vor einigen Jahren.

Da wir aber gerade beim Bundesverfassungsgericht und der Zeitfrage sind: die obersten Richter haben Zeit und deren Folge für die Generationengerechtigkeit zuvor auch bereits mal ganz anders bewertet und sie im sogenannten Klima-Urteil ausdrücklich zur Begründung angeführt, den damals teils sehr jungen Beschwerdeführern recht zu geben, die von der Bundesregierung zeitnahes Handeln eingefordert hatten – und damit auf die Tube zu drücken.

Was Zeit und deren sinnvolle Nutzung betrifft, kann es nicht nur ums Entschleunigen gehen. Und das sage ich durchaus auch als Qigong- und Tai Chi-Lehrerin.

Vor allem jedoch: Klimaaktivisten und -aktivistinnen sind nicht der richtige Adressat für diesen Zaunpfahl. Denn Zeit ist mit Blick auf den Erhalt unserer Umwelt und menschlichen Lebensbedingungen nicht nur Geld, sondern nach Einschätzung praktisch sämtlicher Klimaforscher der Welt ist Eile hierfür vielmehr existenziell und aller Voraussicht nach auch alternativlos. Und sich Zeit lassen damit in gewissem Sinne selbst- und fremdschädigend.

„Wir haben die Uhren, ihr habt die Zeit“ – das gerade der „Letzten Generation“ hinzuwerfen, ist aus meiner Sicht ein Irrtum der von mir sonst geschätzten Gesellschaft für Zeitkultur, auch wenn der Hinweis auf den Unterschied zwischen der gemessenen Zeit „Chronos“ und der erlebten Zeit „Kairos“ sonst immer willkommen ist.

Philip Glass: Koyaanisqatsi

Mach’s und machen Sie’s gut und genießen die Zeit.

Viele Grüße

Midia Nuri