Geysire

schade, ich schaffe es im Moment einfach nicht in die Innenstadt. Da fühlt man sich sicher gerade wie in Island. Schießen doch neben dem hessischen Finanzministerium die Geysire aus dem Boden.

Am Donnerstagnachmittag eine meterhohe Fontäne. Die ist laut Netzeitung „gewaltig und lässt sich kaum eindämmen“. Eine Baufirma hatte nachmittags versehentlich in 130 Metern Tiefe eine unter Druck stehende Wasserblase angebohrt. Man hatte nachgucken wollen, ob sich das Fleckchen eignet, um ein Nebengebäude des Ministeriums mit Fernwärme zu versorgen, ein Passivhaus. Dabei darf man in Wiesbaden eigentlich gar keine Erdwärmebohrungen machen. Zu viele heiße Quellen und innerstädtische Wasseradern. Aber egal.

Eine weitere Baufirma schaffte es Donnerstagnacht immerhin, das Loch im Boden mit 56 Kubikmetern Beton zu füllen. 56 Kubikmeter, das sind 56 Millionen Liter. Oder anders: Ein gut 10.000 Kilometer hoher Turm, wenn sie es in gestapelten Litern Milch messen. Längs aneinandergelegt immerhin ein Viertel vom Erdumfang. Wenn ich mich nicht verrechnet habe….

Das ist eine ganze Menge, finden Sie nicht auch?

„Im ganzen Rhein-Main-Gebiet haben wir zunächst keinen Beton bekommen“, berichtet der Einsatzleiter der Feuerwehr Wolfgang Simon. Ungünstige Zeit. „Wir warten jetzt auf einen Betonlaster aus Darmstadt.“

Am Freitag sprudelte es immerhin nicht mehr meterhoch, sondern blubberte nur noch ein wenig vor sich hin. Trotzdem war das hessische Finanzministerium wohl dem Absaufen nahe – das Wasser bis zum Hals, wenn man so will. Kaum war das große Geysirloch betoniert, drängten neue Geysire auf benachbarten Parkplätzen an die Erdoberfläche. Auf dem Parkplatz eine Schlammschicht von einem Meter. Sandsäcke. 60 Feuerwehrleute und ein gigantischer Wasserschaden.

Jetzt sind wir hier nicht mehr nur Wasserkurstadt – an jeder Ecke gibt es irgendeine heiße Quelle, die angeblich sehr gesund ist. Nun sind wir wohl auch einziges städtisches Pflaster in Deutschland mit echten Geysiren. So was gibt es ja sonst bestenfalls in der Vulkan-Eifel. Vielleicht sprudeln ja dann auch bald die Tourismuseinnahmen.

Dann muss die Stadt vielleicht nicht mehr so viele Knöllchen verteilen.

Man wird ja wohl träumen dürfen… Auch der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) hätte sich sicher sprudelnde Quellen ganz anderer Art erträumt. Hatte er doch gerade erst wenige Minuten vor der Fontäne verkündet, Hessens Steuerquellen sprudeln schlechter. Und das, wo das hessische Staatssäckel ohnehin ein Rekorddefizit verzeichnet. Die nun überall ausbrechenden Klein-Geysire – Wasser sucht sich eben einen Weg, wenn man ihm den Hauptausgang versperrt – quittiert Michael Hohmann, Büroleiter von Finanzminister Weimar (CDU) mit Galgenhumor: „Das Vorurteil, dass wir nicht liquide sind, können wir widerlegen.“

aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 09.11.2009, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html