gelegentlich lässt meine Tochter wissen: „Ich WILL auch gar kein Eis mehr“. Zugegeben: eher selten. Meist heißt es: „Ich will aber trotzdem. Trootzdem! TROTZDEM!“ Ich interpretiere es gern als Zeichen geistiger Reife, dass sie zumindest gelegentlich der Situation angemessen zu trotzen versucht, indem sie Desinteresse heuchelt.
Kindisch ist es natürlich. Klar. Aber gut: Sie ist ja noch ein Kind.
Und kindisch trotzen können wir Erwachsenen wenn nicht noch besser. Im Privatleben. In Politik und Wirtschaft sowieso. Sogar in Führungspositionen von diktatorischen Regimes reagieren sie gelegentlich auf diese eher hilflose Weise. Zuletzt: das chinesische Propagandaministerium. Das verfügte vor ein paar Tagen, Berichte über die Fußball-WM dürften nicht etwa zum Anlass genommen werden, sich über die chinesischen Fußballer lustig zu machen.
Chinesische Fußballer? Genau: Sind gar nicht dabei. Das ist ja gerade das Problem.
Das Versagen der chinesischen Mannschaft schon bei der WM-Qualifikation habe aus Chinas Zensoren die „größten, übellaunigen Verlierer“ gemacht, bemerkte spitz das amerikanische Online-Portal „The Daily Beast“.
Dem chinesischen Volk scheint das egal: Es bevölkert derzeit in die Trikots seiner jeweiligen Favoriten gehüllt die Bars und Kneipen des riesigen Landes. Fotos von nur mit Bodypainting-Flaggen bekleideten jungen Chinesinnen verbreiten sich virenartig.
Dabei könnte man es eigentlich belassen. Aber Daily Beast will gern genauer wissen, warum eigentlich dieses aufstrebende Land sich nicht mit den Rivalen messen könne, die es als Wirtschaftsnation abhänge. Alle erdenklichen Ursachen spielt die Redaktion durch. Weil im Kommunismus unter Mao die Wirtschaft auf Produktion ausgerichtet gewesen sei, nicht auf Freizeit, ist ein Erklärungsversuch. Ein weiterer: die Korruption im chinesischen Sport. Und nicht zu vergessen: dass Eltern ihre Kinder anhalten zu pauken, statt Fußball zu spielen – damit sie die Schule schaffen und einen Job finden.
Dieser Grund allerdings wundert mich: Denn nach allem, was ich über China mal im Fernsehen gesehen habe, sind die attraktivsten und begehrtesten Schulen des Landes Kung Fu-Drillanstalten. Also Sportakademien. Heerscharen von Eltern aus Stadt und Land setzen viel daran, ihre Kinder reif für die Aufnahmeprüfungen machen zu lassen. Notfalls sparen sie sich die Kung Fu-Stunden des Sprösslings vom Mund ab, wenn ich das richtig verstanden habe. Versprechen doch diese Schulen beste Zukunftschancen – und sei es als Kung Fu-Darsteller in der Filmindustrie.
Vielleicht sind die Chinese ja beim Sport einfach nur bislang zu sehr auf den Binnenmarkt ausgerichtet – im Gegensatz zu ihrer sonstigen Wirtschaftspolitik. Und auf dem zählt Kung Fu eben deutlich mehr als Soccer … Doch womöglich denkt man im Reich der Mitte ja bald um – und bildet eine funktionierende Nische für diese Sportart aus. Dann wird China sicher auch mal bei der WM dabei sein.
Es sei denn, dass vielleicht doch der letzte von Daily Beast in die Waagschale geworfene Grund die Ursache ist: „Mancher meint, die mangelhafte Qualität des chinesischen Fußballs könnte auch genetisch bedingt sein – Asiaten haben einfach nicht die Fußball-DNA.“ Dann stünden die Chancen der chinesischen Nationalelf schlecht. Man wird sehen.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 08.07.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html