wissen Sie eigentlich, was im „Xenophobe’s Guide to the Germans“ drinsteht? In dem Kulturschock-Büchlein, wie es die Zeitschrift „Für Sie“ kürzlich nannte. Da steht drin: „Einen Deutschen beim Relaxen zu beobachten sei echt anstrengend, sagen die Engländer. Man brauche danach einen freien Tag, um sich davon zu erholen.“
Na, da dürften wir sie diesen Sommer ja wirklich überrascht haben, die Engländer.
Erst Lovely Lena beim Eurovision Contest. Dann unsere traumtänzelnde Fußballnationalmannschaft. Hübsch fand ich ja die Schlagzeile in der Bild vom Tag nach dem WM-Endspiel – ja ich weiß, aber Schlagzeilen können die Boulevard-Kollegen wirklich: „Treter-Finale. Da wären wir mit unserem schönen Fußball völlig fehl am Platz gewesen.“ Und nun?
Heimsten die hiesigen Twitterer mal eben Sympathien für uns ein.
Wie? Mit einem Blumenkübel. Angefangen hatte es mit einer Meldung in der Münsterschen Zeitung, vielleicht haben Sie das ja mitbekommen. Darin ging es um einen zerstörten Blumenkübel vor einem Altenheim. „Fassungslos waren die Bewohner des Antoniusstift, als sie am Dienstagmorgen vor die Tür sahen: Einer der zwei Blumenkübel vor dem Eingang des Altenheimes wurde umgestoßen und lag zerbrochen vor dem Eingang …“ In dem Artikel steht noch drin, dass in der gleichen Straße Mülltonnen umgeworfen wurden. Und der Pflegedienstleiter wird zitiert: „Leider hat keiner etwas mitbekommen.“ Dazu ein Foto des zerbrochenen Kübels.
Ein Kollege der Autorin twitterte die Meldung. Und wenig später war es die perfekte Welle, die da durch das Twitter-Universum brandete. Tausende machten sich ihren Spaß mit dem #Blumenkübel. „+++ EIL +++ Laut #Greenpeace sind mehr #Blumenkübel betroffen als zunächst befürchtet!” „BP weist Verantwortung von sich“, twitterte ein anderer. Und wieder einer: „Kanzlerin muss Urlaub unterbrechen.“ Auch die geschäftsmäßigen Twitterer springen auf. Ein Kreditinstitut meldete: „Die Hausratversicherung der Sparkasse deckt auch Schäden am #Blumenkübel ab“ – samt Link. Und die Autovermietung Sixt setzte auf ihrer Facebook-Seite folgenden Text neben ein Blumenkübel-Foto: „Liebe Journalistin der Münsterschen Zeitung, wir suchen einen Social Media Manager“ – und verlinkte auf eine echte Stellenanzeige.
Tausende und Abertausende Tweets zum Thema #Blumenkübel geisterten durch die Netze. Die Story brachte es immerhin auf Platz 5 der Twitter-Trends weltweit. Wer kein Deutsch sprach, verstand freilich nur „Blumenkuebel?“ .Gegen Mittag fragte eine ausländische Twitter-Nutzerin „Why is ,blumenkübel‘ a Trending Topic?“ – also ein häufiger Begriff im Nachrichtenstrom des Twitter-Dienstes.
„Münstersche Zeitung macht nicht vor Zerschlagen eines #Blumenkübel halt, um mit Qualitätsjournalismus Viral Marketing zu machen … Krass.“, twitterte Social-Media-Forscher Martin Oetting. Und gleich auch noch sein Gedicht: „Ein Kübel war’s, für Blümelein. Er wird nun nicht mehr mit uns sein. Vandalen kamen in der Nacht. Sie ham den Kübel umgebracht.“ Ein Bekennervideo tauchte dann auch noch auf. Und nachdem ein Twitter-User eine Fotomontage absetzte, die den Eindruck erweckte, CNN habe über den Kübel berichtet, nahm eine Zeitung das tatsächlich auf: Blumenkübel läuft jetzt sogar schon in den US-Nachrichten. Was zweierlei zeigt: Wir haben eben doch Sinn für Unsinn. Und: Im Sommerloch ist jede Menge Platz.
aus: Newsletter Steuern und Bilanzierung bei BWRMed!a vom 12.08.2010, Archiv: http://www.bwr-media.de/newsletter/sub/archiv.html